taz.de -- Arte-Serie „World White Hate“: Weltweiter Hass im Netz

Rechte Gewalt nimmt zu – schuld ist auch das Internet. Eine Doku-Serie zeigt, wie sich Neonazis weltweit im Netz radikalisieren und organisieren.
Bild: Hier haben auch viele US-Veteranen mitgemischt: Die Erstürmung des Kapitols in Washington 2021

Rechte Gewalt nimmt zu. [1][Die Baseballschlägerjahre] sind zurück, heißt es immer öfter in Schlagzeilen. Vor allem junge Neonazis gehen gewalttätig gegen [2][Pride-Paraden], [3][Geflüchtete] und Menschen vor, die sich gegen rechts engagieren.

Dass die Täter immer jünger werden, [4][bestätigte kürzlich auch der Verfassungsschutzbericht]. Steckt in dieser rechten Gewalt auch eine Gefahr terroristischer Bedrohung? Das legt zumindest Autor Dirk Laabs in der dreiteiligen Doku „World White Hate“ nahe. Immer mehr junge Neonazis haben sich im Netz radikalisiert und von Christchurch über Hanau bis Buffalo Anschläge verübt und unzählige Menschen ermordet.

Die Anzahl solcher Anschläge nimmt zu. Die von Arte und SWR produzierte Doku verknüpft anhand von Interviews, Analysen und mitunter verstörendem Bildmaterial Spuren dieser Taten. Gezeigt wird, wie sehr sich die jungen Terroristen aufeinander beziehen. So prangen immer wieder auf den automatischen Gewehren, mit denen Anschläge verübt werden, Namen wie Andres Breivik oder Brenton Terrant.

Im Fall des 18-jährigen Payton Gendron, der 2022 in einem Supermarkt in Buffalo zehn Schwarze Menschen erschoss, zeigt die Doku, wie er vom 19-jährigen englischen Neonazi Daniel Harris beeinflusst wurde, der für seine Onlinepropaganda zu 11 Jahren Haft verurteilt wurde.

„World White Hate“ erzählt in drei einstündigen Episoden von den Netzwerken der Täter und welche Rolle das Internet spielt. Es geht um Chatrooms, um sich viral verbreitende Hassvideos und um die Frage, welche Verantwortung Tech-Konzerne haben bzw. ihr nicht nachkommen, wenn terroristische Anschläge zum Teil live im Internet übertragen werden und Bewegtbilder davon innerhalb kürzester Zeit auf zig Plattformen zu finden sind. Der zweite Teil zeigt, wie wichtig vor allem in den USA, aber nicht nur dort, Veteranen für neonazistische und terroristische Taten sind.

Das reicht von den Oath Keepern und ihrer Rolle bei der [5][Erstürmung des Kapitols 2021] über die Anschlagspläne des [6][Bundeswehroffiziers Franco A.] bis hin zur Rolle von Militärs und Veteranen für die bewaffnete rechte Szene in Frankreich. In einem letzten Teil geht es um den zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen rechte Strukturen und das Gedenken an Opfer rechter terroristischer Gewalt.

Kann einem Angst machen

Als immer wiederkehrende Gesprächspartnerin ist hier [7][die Mutter des in Hanau ermordeten Ferhat Unvar] zu sehen, die sich gegen rechte Gewalt engagiert und bei einem Treffen mit Eltern von Opfern des Anschlags auf den Club Bataclan in Paris zu sehen ist.

Nazis, das konstatiert die Doku ganz klar, lassen sich auch von islamistischen Anschlägen und ihren Tätern beeinflussen. „World White Hate“ fächert ein breit angelegtes Tableau an Rechtsterrorismus auf und fokussiert stark auf die USA, wo Donald Trump mit seinen rassistischen Hetzreden mitunter von Neonazi-Propaganda gar nicht zu unterscheiden ist.

Es kommt der Sohn von William L. Pierce, dem Verfasser der „Turner Diaries“, zu Wort, einem Nazi-Science-Fiction-Roman aus den 70er Jahren, den viele als Vorlage für den Sturm aufs Kapitol 2021 sehen, und der berichtet, wie er regelmäßig von seinem Vater verprügelt wurde. Ein FBI-Agent, der undercover in Neonazi-Gruppen eingeschleust wurde, erzählt aus dem Nähkästchen seiner Ermittlungen.

Das kann einem beim Zuschauen fast schon Angst machen. Aber die Doku zeigt auch, wie viele Menschen sich gegen rechte Strukturen zur Wehr setzen, wie der US-Veteran Kristofer Goldsmith, der vom rechten Verschwörungstheoretiker zum Kämpfer gegen rechte Gewalt wurde und jetzt Neonazis in Sicherheitsbehörden outet.

Er sagt: „Ich habe mich jetzt der Aufgabe verschrieben, Nazis zu jagen. Wenn du voller Zorn bist, ein ziemlich guter Job.“

9 Jul 2025

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AUTOREN

Florian Schmid

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