taz.de -- Psychisch kranke Flüchtende: Konsequente Hilfeverweigerung

Nur drei Prozent der Geflüchteten bekommen die psychologische Hilfe, die sie brauchen. Die EU-Abschottungspolitik ist eine Traumatisierungsmaschine.
Bild: Traumatisierende Fluchterfahrung: Geflüchtete aus dem Iran und Irak nach einer gescheiterten Flucht nach Großbritannien

Gerade einmal 3 Prozent der psychisch kranken Geflüchteten bekommen Hilfe. Auf groteske Art ist das konsequent. Denn die gesamte europäische Abschottungspolitik ist indirekt eine riesige Traumatisierungsmaschine.

Weil legale Fluchtrouten systematisch mit Visapflichten, Grenzzäunen und Rücknahmeabkommen versperrt werden, müssen die Flüchtenden ausweichen: Auf den Weg durch die Sahara, wo Tausende verdursten. Nach Libyen, wo viele als Geiseln genommen und gefoltert werden, um von Verwandten Lösegeld zu erpressen. Auf überfüllte Schiffe, wo Ertrinken oder brutale [1][Pushbacks] durch europäische Grenzschützer drohen.

Wer es nach Deutschland schafft, den*die erwarten hier Lebensumstände, die der psychischen Gesundheit wirklich nicht zuträglich sind. [2][Massenunterkünfte] zermürben und anfängliche Arbeitsverbote sorgen für quälende Langweile. Auch die erst vor wenigen Monaten eingeführten [3][Bezahlkarten] für Geflüchtete spielen wohl eine Rolle, indem sie die Menschen noch weiter stigmatisieren und ihnen das Leben erschweren.

Dazu kommt die Stimmung im Land, die sich deutlich gegen die Aufnahme von Geflüchteten gedreht hat, [4][Hetze durch Politiker*innen] und die ständige Bedrohung durch rechte Gewalttäter*innen. Eigentlich bräuchte es nicht weniger als die komplette Umwälzung unseres Umgangs mit Geflüchteten und das nicht nur in Deutschland, sondern auf ganzer EU-Ebene. Da das aber nicht passieren wird, bleiben zunächst nur ein paar kleine Hoffnungsschimmer.

So könnte die SPD-Fraktion in den Haushaltsverhandlungen doch noch einige Millionen mehr für die Psychosozialen Zentren heraushandeln. Vielleicht findet sich auch irgendwann wieder eine Mehrheit im Bundestag, die bereit ist, Geflüchteten schnelleren Zugang zum regulären Gesundheitssystem zu verschaffen. Es wäre ein Anfang.

Korrigiert am 26. Juni um 10:50 Uhr. Im Text hieß es zunächst fälschlich, die Mittel im Bundeshaushalt würden gekürzt. Das ist nicht der Fall. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen. d. R.

26 Jun 2025

LINKS

[1] /Pushbacks/!t5850036
[2] /Massenunterkunft-Tegel/!6025563
[3] /Bankkarten-fuer-Gefluechtete/!6058073
[4] /Geheimtreffen-mit-Rechtsextremen/!5984871

AUTOREN

Frederik Eikmanns

TAGS

Schwerpunkt Flucht
Unterbringung von Geflüchteten
Fluchtrouten
Integrationspolitik
GNS
Geflüchtete
Psyche
Jens Spahn
Schwerpunkt Flucht
Afrobeat
Schwerpunkt Flucht

ARTIKEL ZUM THEMA

Traumatisierte Geflüchtete: CDU und SPD wollen noch weniger psychotherapeutische Hilfe

Nur ein Bruchteil der 990.000 Geflüchteten mit Traumafolgestörungen wird in Deutschland behandelt. Jetzt wird die Förderung noch einmal halbiert.

Schärfere Gesetze für psychisch Kranke: Gegen Depression und Vorurteile auf Tour

Bei der „Mut-Tour“ klären Betroffene auf. Die Politik will die Gesetze für psychisch Kranke verschärfen. Mediziner wünscht sich bessere Vorsorge.

Jens Spahn im Haushaltsausschuss: Spahn behält die Maske auf

Der Bundestag diskutiert über den Bericht zur Masken-Affäre um Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Dessen Auftritt wird hart kritisiert.

Flüchtlingslager in Eisenhüttenstadt: Drehtür Dublin-Zentrum

Die Zustände in Eisenhüttenstadt sind so katastrophal, dass viele Geflüchtete abtauchen. Und wer abgeschoben wird, flieht schnell zurück nach Deutschland.

Flucht und Migration: Das Messer im Kopf

Traumatisierung unter afrikanischen Migranten und Geflüchteten ist verbreitet. Aber sie wird erst wahrgenommen, wenn Menschen zu Mördern werden.

Bezahlkarte für Geflüchtete in Berlin: Menschenverachtung darf was kosten

Während anderswo gespart wird, leistet man sich bei Geflüchteten mit der Bezahlkarte eine teure Abschreckungspolitik. Das sieht man auch in Tegel.