taz.de -- Ex-Polizeipräsidentin über Prostitution: „Es darf nicht mehr cool sein, ins Bordell zu gehen“
Ex-Polizeipräsidentin Elke Bartels plädiert für das Nordische Modell eines Sexkaufverbots. Sie hofft, damit Zwangsprostitution bekämpfen zu können.
taz: Kann man Prostitution abschaffen?
Elke Bartels: Das glaube ich nicht. Prostitution als solches will ich auch gar nicht im Kern angreifen. Sondern ich möchte die Auswüchse bekämpfen, die sich aus der Prostitutionsschutzgesetzgebung ergeben. Die erlaubt vieles, was meines Erachtens nicht menschenwürdig ist. Prostitution als solche hat es immer gegeben und wird es wahrscheinlich auch weiterhin geben. Aber [1][Zwangsprostitution] – die darf es eigentlich nicht mehr geben.
taz: Welche Regeln bräuchte es, um Zwangsprostitution abzuschaffen?
Bartels: Viele bezeichnen Deutschland als das Bordell Europas. Bei uns ist es einfach, Frauen in die Prostitution zu zwingen. Es bedarf entweder neuer Prostitutionsschutzgesetze oder – meiner Meinung nach die beste Waffe – der Einführung des Nordischen Modells, das heißt des Sexkaufverbotes.
taz: Würde sich dann nicht die bestehende Prostitution ins Verborgene verlagern?
Bartels: Das Dunkelfeld ist vor allem bei der Zwangsprostitution so riesig, dass ich denke, dass es gar nicht erweitert werden kann. Das Problem ist, dass die Polizei keine Möglichkeit hat, dieses Dunkelfeld aufzuhellen. Vor der Liberalisierung konnte man Kontrollen durchführen. Jetzt kommen wir in diese Bordelle nicht rein, außer wenn wir gerufen werden.
taz: Ohne Anlass darf die Polizei nicht kontrollieren?
Bartels: Im Moment darf die Polizei tatsächlich nicht [2][anlasslos kontrollieren]. Aber das dürfte sie, wenn der Sexkauf strafbar wäre.
taz: Könnte die Polizei solche Kontrollen personell überhaupt stemmen?
Bartels: Das ist ein sicherheitspolitisches Problem. Im Moment müsste die Polizei das Personal umschichten oder mehr anfordern, wenn mehr Leute zur Kontrolle auf Streife geschickt werden sollen. Sie müsste aufrüsten – auch zur Kontrolle der anderen Wege, dennoch Frauen anzubieten, vor allem im Internet. Aber es wären keine Streifengänge durch Bordelle nötig, weil es die ja nicht mehr gäbe.
taz: Aber wäre ein Sexkaufverbot nicht ein Eingriff in die freie Berufswahl der freiwilligen Prostituierten?
Bartels: Freiwilligkeit ist ein dehnbarer Begriff. Ob Frauen das freiwillig machen, hängt davon ab, wie man Freiwilligkeit definiert. Wenn zum Beispiel eine schlecht bezahlte Reinigungskraft sagt, sie verkauft ihren Körper, um mehr Geld zu verdienen. Auch traumatische Erlebnisse können dazu führen, dass man in die Prostitution abwandert. Die Frage ist, ist das noch freiwillig oder nicht?
taz: Kann die Polizei aktuell gar nichts tun?
Bartels: Im Moment hat die Polizei kaum einen Ansatzpunkt. Wenn ich bedenke, wie wenige Ermittlungsverfahren angestrengt werden können – das ist nur eine Spitze des Eisbergs. Und meist wissen wir nicht einmal, ob es zum Gerichtsurteil gekommen ist. Durch den Datenschutz sind die Gerichte nicht verpflichtet, der Polizei den Ausgang des Verfahrens mitzuteilen.
taz: Zielt der Wunsch nach dem Nordischen Modell auf einen Wandel der Gesellschaft?
Bartels: Ja. Leider werden in unser Gesellschaft sogar Festivitäten wie Junggesellenabschiede in Bordellen gefeiert. [3][Beim Sexkaufverbot gäbe es] gar keine [4][Bordelle] mehr. Aber auch wenn man nur kleinere Stellschrauben dreht, muss man die Gesellschaft dahin bringen, dass es eben nicht mehr cool ist, hinzugehen.
19 Mar 2025
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