taz.de -- Vorwurf des Racial Profiling: Immer mehr anlasslose Polizeikontrollen
Die Ampel wollte Racial Profiling bei der Polizei angehen, brachte aber kein Gesetz durchs Parlament. Nun zeigt sich: Die Kontrollen steigen deutlich.
Berlin taz | Es war ein Versprechen der einstigen Ampel-Bundesregierung: Mit einem Gesetzentwurf, sollte das sogenannte [1][Racial Profiling] angegangen werden. Im Dezember 2023 einigte sich die Ampel-Regierung [2][auf ein neues Bundespolizeigesetz], das auch diese anlasslosen Polizeikontrollen in Angriff nahm, die allein die Hautfarbe von Betroffenen abzielen. Doch im Bundestag wurde das Gesetz nicht mehr verabschiedet. Dabei bleibt die Polizeipraxis Alltag – und das mit steigender Tendenz.
So zeigen aktuelle Zahlen, dass die Bundespolizei im vergangenen Jahr mehr als 4,7 Millionen verdachtsunabhängiger Kontrollen durchführte. Das entspricht fast einer Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr, wo es etwa 2,4 Millionen Kontrollen waren. Im Jahr 2022 hatte es wiederum 2,3 Millionen Kontrollen gegeben. Die Zahlen gehen aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage hervor, die der taz vorliegt.
Gesetzlich darf die Bundespolizei diese Kontrollen durchführen, um etwa unerlaubt Eingereiste an den deutschen Grenzen aufzuspüren, in Zügen, Flughäfen oder Straßen. Und tatsächlich erfolgten die allermeisten Kontrollen, 4,3 Millionen Fälle, im Rahmen der Schleierfahndung, also grenznaher, verdachtsunabhängiger Polizeikontrollen. Rund die Hälfte der Kontrollen fanden an der Grenze zu Tschechien statt: 2,4 Millionen.
„Praxis muss beendet werden“
Die Zahl der dabei entdeckten unerlaubten Einreisen aber blieb sehr überschaubar. Im Jahr 2024 waren das 17.900 Fälle – im Jahr zuvor noch 61.400 Das bedeutet eine „Trefferquote“ der Kontrollen von unter einem Prozent – die allermeisten kontrollierten Menschen hatten also ein Visum oder einen Aufenthaltstitel. Ein Grund für die geringen Zahlen dürfte allerdings die Einführung der [3][stationären Grenzkontrollen] sein, bei denen bereits viele Fälle unerlaubter Einreisen erfasst werden.
Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger kritisierte die Polizeipraxis und die hohen Zahlen. Es könne nicht sein, dass weiterhin Millionen Menschen ohne sachlichen Grund verdächtigt und kontrolliert würden. „Daran hat sich in der Regierungszeit der selbsternannten Fortschrittskoalition nicht das Geringste geändert.“ Rassistische Polizeikontrollen hätten eine stigmatisierende Wirkung und führten bei den Betroffenen oft zu großer Verunsicherung, so Bünger zur taz. Zudem verstießen sie gegen das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz. „Diese schädliche Praxis muss beendet werden.“
Bünger fordert, die Befugnis zu verdachtsunabhängigen Kontrollen ersatzlos zu streichen. Polizeimaßnahmen dürften nur stattfinden, wenn es einen konkreten Verdacht gebe und nicht, weil Menschen aufgrund ihres Aussehens pauschal als gefährlich verdächtigt würden.
Die Ampel-Regierung hatte [4][in ihrem geplanten Bundespolizeigesetz festgehalten], dass Polizeikontrollen anhand von Herkunft, Geschlecht, Religion oder Sprache und „ohne sachlichen, durch den Zweck der Maßnahme gerechtfertigten Grund unzulässig“ seien. Überprüfte hätten künftig das Recht, von der Bundespolizei Kontrollquittungen einzufordern, auf denen der Grund der Kontrolle vermerkt werden müsse. [5][In Bremen gibt es solche Quittungen bereits seit 2021].
In ihrem Programm zur Bundestagswahl hatten die Grünen das Vorhaben erneuert: Man wolle „polizeiliche Kontrollbefugnisse so ausgestalten, dass diese rechtssicher angewandt werden können“, heißt es dort. Auch mit einem „Ticketsystem für Kontrollen, das die Gründe für Kontrollen darlegt“. Bei der SPD war im Wahlprogramm in Sachen Bundespolizeigesetz nur noch die Rede von „klaren Befugnissen“ für die Polizei.
Die Union dagegen erklärte im Wahlprogramm explizit, dass die Polizei keine Kontrollquittungen ausstellen solle. Auch den von der Ampel [6][eingeführten Polizeibeauftragten] werde man wieder abschaffen.
26 Feb 2025
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