taz.de -- Neues Album von Franz Ferdinand: Opfer der eigenen Ängste
Mit „Human Fear“ trotzt Franz Ferdinand der traurigen Weltlage. Mit der neuen Platte bringt die Indie-Band einen mit nur zwei Akkorden zum Tanzen.
Als 2004 das Debütalbum von Franz Ferdinand erschien, prägte die schottische Band den Popsound der nächsten Jahre, wie es heute unvorstellbar ist. Musik war damals noch nicht nonstop per Stream verfügbar, Musikgeschichte wurde noch linear geschrieben. Natürlich macht Franz Ferdinand also 20 Jahre später Musik unter ganz anderen Vorzeichen.
Im Fall von „The Human Fear“, dem neuen Album des Quintetts, steht die Veröffentlichung schlicht im Zeichen von bröckelndem Ruhm. Nicht nur das Musikbusiness, auch die Welt hat sich seither massiv verändert, und das scheint die Band auf den ersten Blick als Chance zu begreifen.
Suggerierte die markante Stimme von Sänger Alex Kapranos 2004, dass die Lage ernst sei, wir aber mit der Musik von [1][Franz Ferdinand jede Menge Spaß haben] werden, war das vor allem genau das: großer Spaß. Wenn das neue Franz-Ferdinand-Album „The Human Fear“ heißt und gleich im Auftaktsong dazu aufruft, sich von der Weltlage nicht einschüchtern zu lassen, ist das mehr als ein Witz.
„Audacious“ („kühn“) heißt dieser Eröffnungssong: „Hast du auch manchmal das Gefühl, dass sich eine Naht auflöst, ein Faden heraushängt, und wenn du etwas stärker daran ziehst, sich das ganze Gewebe der Existenz auflöst? / Hör nicht auf, dich kühn zu fühlen, mach einfach weiter, denn niemand wird uns retten.“ Ein fantastischer Song, leicht und tief zugleich daherkommend, mit hüpfenden Drums und sägenden Gitarren – eigentlich viel zu opulent für diese Meister einer fast sachlichen Rockmusik. Auf jeden Fall ein großartiger Mutmacher in Tagen, in denen immer klarer wird, dass nicht Liebe und Vernunft, sondern Hass und Zerstörung sich in dieser Welt vermehren werden.
Und Franz Ferdinand machen weiter damit, der „Human Fear“ etwas entgegenzusetzen: „Build It Up“ ist eine gesungene Anleitung, wie man es noch schaffen kann, miteinander zu sprechen, obwohl man längst glaubt, sich nichts mehr zu sagen zu haben.
Zerhackte Klavierakkorde, übersteuerte Gitarren
Für Beziehungen kann das genauso gelten wie für Politik: „Du musst etwas geben und etwas nehmen. Du musst dich öffnen, und du musst teilen. Du musst etwas aufbauen, wenn nichts da ist.“ Gesungen in einem rhythmischen Refrain, der noch mal daran erinnert, wie schön einen diese Band mit nur zwei Akkorden zum Tanzen bringen kann.
Toll auch „Night Or Day“, musikalisch das dringlichste Stück, das mit seinen zerhackten Klavierakkorden und übersteuerten Gitarren an Hits der Softrockband Foreigner erinnert, natürlich ohne deren unreflektierte Schmierlappigkeit. Leider handelt der Songext dann doch nur davon, dass wir alle gemeinsam „es“ schon durchstehen werden, wenn wir nur zusammenhalten.
Und ab dann beginnt die Musik sehr zu schwächeln. Der Großteil der elf Stücke wirkt zu sehr bemüht darum, dem alten Ruf [2][einer Partyband] gerecht zu werden, und will einfach nicht zünden. Der stakkatohafte Refrain von „Doctor“ geht schon beim ersten Hören schwer auf die Nerven, noch wesentlich schlimmer ist „Hooked“, bei dem Franz Ferdinand Dancefloorsound versucht, der ihr einfach nicht steht. Wenn Kapranos im Refrain in seinem tiefsten Duktus „You’ve got me hooked“ ins Mikro knödelt, weiß man nicht, ob man lachen oder sich schämen soll.
Es wirkt, als sei „The Human Fear“ am Ende doch ebenjener menschlichen Angst zum Opfer gefallen, die zu bannen anfangs versprochen wird. Echte Kühnheit kann man sich zwar wünschen, erzwingen lässt sie sich nicht. Franz Ferdinand lehnen sich gegen ihren Untergang auf – immerhin haben sie zwei, drei tolle Songs im Gepäck.
4 Feb 2025
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