taz.de -- Nach Rede von Frankreichs Präsident: Eine afrikanische Geschichtslektion für Macron
Der französische Präsident Macron wirft afrikanischen Staaten, aus denen Frankreichs Militär abzieht, „Undankbarkeit“ vor. Die Reaktionen sind scharf.
Dakar taz | Frankreichs Soldaten sollen raus. Nach Mali, Burkina Faso und Niger haben auch Tschad, Senegal und die Elfenbeinküste nachgezogen. Letztere übermittelten den Beschluss [1][per Neujahrsgruß]. Weder Frankreichs Unterstützung noch Einfluss sind mehr gewünscht.
Ein Thema, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei der jährlichen Botschafterkonferenz im Élysée-Palast am 6. Januar sichtlich wurmte. Es war ihm [2][in seiner Rede] sehr daran gelegen, klarzustellen, dass es sich in Bezug auf Frankreichs Afrikapolitik nicht um einen „Rauswurf“ handle, sondern um eine „Neuorganisation“. Der Abzug sei das Ergebnis von Vereinbarungen mit den afrikanischen Führern. „Da wir sehr höflich sind, haben wir ihnen den Vorrang bei der Ankündigung überlassen“, so Macron weiter.
Nach Jahren des militärischen Engagements gegen den Terrorismus hätten Afrikas Machthaber wohl schlicht „vergessen, sich zu bedanken“, schlug der Präsident sarkastische Töne an und setzte noch hinterher: „Kein afrikanisches Land wäre heute souverän, wenn Frankreich sich nicht eingesetzt hätte.“
„Völlig falsch“, sagt Senegals Premierminister Sonko
Die Reaktionen kamen postwendend. In einer Rede [3][forderte Tschads Minister Aziz Mahamat Saleh] Respekt vor den „Entscheidungen und der souveränen Politik des tschadischen Volkes“.
Als „völlig falsch“ [4][bezeichnete Senegals Premierminister Ousmane Sonko] die Aussagen Macrons zum „höflichen Vortritt“. „Es gab bislang keinerlei Gespräche oder Verhandlungen, und die Entscheidung Senegals beruht allein auf seinem Willen als freies, unabhängiges und souveränes Land“, sagte er.
Frankreich, so Sonko, habe weder die Fähigkeit noch die Legitimität, Afrikas Sicherheit und Souveränität zu gewährleisten. „Im Gegenteil, es hat oft dazu beigetragen, bestimmte afrikanische Länder wie Libyen zu destabilisieren, mit verheerenden Folgen für die Stabilität und Sicherheit der Sahelzone“, schoss der Senegalese weiter.
Und weiter: „Es ist an dieser Stelle an der Zeit, Präsident Macron daran zu erinnern, dass Frankreich heute vielleicht immer noch deutsch wäre, wenn die afrikanischen Soldaten, die manchmal zwangsmobilisiert, misshandelt und schließlich verraten wurden, im Zweiten Weltkrieg nicht zur Verteidigung Frankreichs eingesetzt worden wären.“
Das ist Salz in offene Wunden. Am 1. Dezember noch hatte Senegal in einem großen Staatsakt an [5][die tragische Geschichte der „Tirailleurs“] erinnert: Senegalesische Soldaten, die während des Zweiten Weltkriegs unter französischer Flagge gekämpft hatten. 1944 tötete Frankreich Dutzende dieser kolonialen Kriegsveteranen, als sie ihren ausstehenden Sold einforderten.
Macron hatte in einer Erklärung zur Gedenkfeier noch Punkte gesammelt, als er erstmalig in der Geschichte Frankreichs die brutale Ermordung senegalesischer Soldaten als Massaker anerkannte. Punkte, die spätestens jetzt wieder verspielt sein dürften.
7 Jan 2025
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