taz.de -- Mischke wird doch nicht ttt-Moderator: Wer bestimmt jetzt die Räume?

Thilo Mischke wird nach Kritik doch nicht Moderator der ARD-Kultursendung. Nun braucht´s dringend eine Debatte über Frauen und Reflexion in der Kultur.
Bild: Ein Umdenken würde schon in der journalistischen Ausbildung anfangen

Vielleicht hatten einige Leser*innen hier noch nichts von Thilo Mischke gehört, bevor die Debatte um ihn als neuem Moderator für die Kultursendung „ttt“ der ARD losbrach.

Und das ist schön für die, die das betrifft, ich für meinen Teil hatte sehr wohl von ihm gehört. Aus den von „Feminist Shelf Control“ recherchierten und im offenen Brief an die ARD argumentierten Gründen. Seine Bücher. Seine Aussagen. Seine Unreflektiertheit, sein, wie er selbst sagte: unterkomplexer Kulturbegriff, der Kultur als etwas begreift, das es zu „verkaufen“ gilt. Nun, damit ist er wahrlich nicht allein in dieser Gesellschaft, aber eben aus meiner Sicht [1][nicht die richtige Wahl für die Moderation einer relevanten Kultursendung wie „ttt“].

Gesellschaftlich immanenter [2][Frauenhass] in seiner unreflektierten Form sollte nicht auch noch Einzug in diese Sendung finden. Er ist doch sowieso schon überall. Solche Sendungen sollten viel mehr Orte sein, diese Probleme sensibel zu beleuchten, statt sie zu reproduzieren. Wir als Gesellschaft müssen anfangen, die Köpfe zu schütteln, wenn wir Bücher mit Titeln wie seinem vorfinden, Aussagen, wie seine in Podcasts hören.

Die Kultur ist ein Feld, in dem es möglich ist, subtil, laut oder leise, sensibel und reflektiert, avantgardistisch, und mit der den Künstler*innen eigenen Stimme und Ausdrucksform gesellschaftliche Fragen zu reflektieren, und zwar eben so komplex, wie sie in den meisten Fällen nun mal sind. Wie aber soll mit dem Holzhammer darüber diskutiert werden? Nenn mir drei krasse Sätze aus deinem Buch, die mir sagen, warum ich’s kaufen soll: los! Oder was? Wie dramatisch wäre es, wenn eine solche Arbeit von einem Mann diskutiert würde, der „Die Liebe des Lebens braucht keinen großen Busen“ als steile These vertritt?

Über Gewalt sprechen

Mir fällt es schwer, mir das vorzustellen, es bedeutete doch, dass auch die Sendung in diesem Bereich an Komplexität spürbar verlöre. In einem Bereich, der doch aber endlich in all seinem Facettenreichtum diskutiert gehört. Was ist ein Sexist, Rape Culture, wann ist es Frauenhass und wie lernen wir, über sexualisierte Gewalt zu sprechen, ohne erneut gewaltvoll zu sein?

Nun ist die Entscheidung gefallen, nicht die ARD selbst, nein, die Süddeutsche Zeitung wusste es zuerst: Thilo Mischke wird nicht der nächste „ttt“ Moderator. Und mir als Mitunterzeichnerin des offenen Briefes wurden Nachrichten geschickt, in denen zu diesem „Erfolg“ erfreulich gratuliert wurde.

Doch ich empfinde diese ganze Sache an keiner Stelle als Erfolg. Es ist ein trauriges Armutszeugnis und irgendwie auch ein Beleg für einen gesellschaftlichen Backlash. Auch, wie die ARD kommunizierte (quasi gar nicht), wie die Entscheidung für Mischke als Moderator einzusetzen vollkommen intransparent blieb und wir uns jetzt wundern und fragen können, welche Seilschaft ihn in diese Position gezogen haben könnte. Wie diese Personalie selbst gegen den Willen der ttt-Redaktion durchgedrückt werden sollte, wie aus dem Text in der SZ deutlich wird.

Und nicht zuletzt, wie wir als Gesellschaft internalisierten Frauenhass normal bis lustig finden und kein Problem darin sehen, Menschen, die ein Frauenbild haben, das ebenso unterkomplex ist wie Thilo Mischkes Kulturbegriff, an prominenten Stellen etwas bedeuten zu lassen. Immer und immer wieder. An so vielen Stellen, in der Kultur, Politik, Gesellschaft. Zwei Schritte vor, drei zurück. Diese Entscheidung der ARD kann erst der Anfang einer Debatte sein, die sich die Frage stellen muss, wem und welchen Themen wir die relevanten Räume künftig zugestehen wollen, in welcher Form und Komplexität.

Ein neues Normal

Wir brauchen eine Debatte darüber, was wir normal finden wollen. Worüber wir lachen wollen, wie viel Verachtung für andere Menschen in der Kultur noch tragbar ist, was Verachtung eigentlich ist. Und dass man Betroffenen glauben soll, wenn Sie sagen, dass etwas verachtend ist und nicht erst, wenn irgendwer in Entscheiderpositionen keine andere Wahl mehr hat.

Und, liebe Frauen, wie sehr wir selbst Misogynie verinnerlicht haben. Denn das haben wir, und nur darum funktioniert der Sexismus so prima, weil auch die Frauen selbst ihn aufrechterhalten, gelernt haben, dass verachtet zu werden normal ist. [3][Mitlachen, statt sich mit offenen Mündern wegdrehen.]

Wir alle kennen von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen, doch irgendwie kennt niemand die Täter, sie fallen in dieser misogynen Kultur, in der wir leben, einfach nicht auf und das, genau das muss sich ändern.

5 Jan 2025

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AUTOREN

Sophie Sumburane

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