taz.de -- Rape Culture im Militär: Der arme Soldat, der vergewaltigen muss
Ein deutscher Generalmajor sagt: „Wenn eine Vergewaltigung unvermeidbar ist, entspannen Sie und genießen.“ Unsere Autorin erklärt, was das bedeutet.
Ein deutscher Generalmajor namens Hartmut Harro Renk, ein Zwei-Sterne-General mit Bilderbuchkarriere bei Bundeswehr und Nato, gab seinen Kameraden bei einem international besetzten Meeting im Februar diesen Rat: „If rape is inevitable, relax and enjoy.“ – „Wenn eine Vergewaltigung unvermeidbar ist, entspannen Sie und genießen.“
Diese Aussage des Generals ist ungeheuerlich. Da sie von jemandem vom Militär gesagt wurde, liegt nahe, dass der Kontext etwas mit militärischen Konflikten zu tun hat.
Der [1][Spiegel berichtet Anfang Mai] zuerst, bezeichnet den Spruch aber als „Redewendung“, bloß weil andere Machos ihn auch schon gesagt haben sollen. Einige Medien ziehen nach, die taz schweigt.
Situationen, in denen der Soldat vergewaltigen muss
„Vergewaltigung unvermeidbar“, was für ein Wording. Es bedeutet, dass es eine militärische Logik in bewaffneten Konflikten gibt, die zwangsläufig zu Vergewaltigungen führen kann. Der vergewaltigende Soldat ist dabei Opfer der Logik.
Also das eigentliche Opfer und nicht die vergewaltigte Person. Man nennt so was Täter-Opfer-Umkehr. Der arme Soldat kann in Situationen geraten, wo er vergewaltigen muss. Welche Situationen das sein sollen, sagt der Generalmajor nicht.
Wenn …, dann …. Ein Konditionalsatz. Tritt die erste Bedingung ein, hat die daraus erfolgende eine bedingende Konsequenz. „Relax and enjoy.“ Nur ist eben schon die erste Bedingung des Satzes von Renk falsch. Denn es ist so, dass alle jederzeit vermeiden können zu vergewaltigen. Auch ein Soldat.
Die ABC-Waffe jedes Ignoranten
Es hat Jahrzehnte gedauert, bis nach 1945 aussprechbar war, dass im Zweiten Weltkrieg massenhaft vergewaltigt wurde. Die Wehrmacht hat vergewaltigt, die Rote Armee hat vergewaltigt, die japanische Armee hat vergewaltigt. In den Kriegen davor wird es nicht besser gewesen sein. Danach keinesfalls. [2][Bosnische Frauen] im Jugoslawienkrieg, ukrainische Frauen [3][in Butscha und anderswo], Ruanda, Sudan. Vergewaltigung im Krieg wird als Waffe eingesetzt.
Im Jahr 2008 benannte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in der [4][Resolution 1820] den Einsatz von sexualisierter Gewalt erstmals als Kriegstaktik und mögliches Kriegsverbrechen. Sogar eine Bedrohung für den Weltfrieden könne es sein.
Davor gab es einen langen Kampf von Frauen. Die Recherchen zu Vergewaltigungen durch die Rote Armee von [5][Helke Sander], die zum Film und gleichnamigen Buch [6][„Befreier und Befreite“] führt, war ein Meilenstein. Die vom japanischen Militär zur Zwangsprostitution gezwungenen Frauen, [7][die sogenannten Trostfrauen], ebenso. Es ist ein Kraftakt für die Betroffenen, die Scham zu überwinden und die erlebte Gewalt öffentlich zu machen.
Das ABC Ignoranter in Sachen sexualisierter Gewalt
Sexualisierte Gewalt gebe es in bewaffneten Konflikten immer dann, wenn sie von der Führung bagatellisiert oder toleriert werde, [8][sagt Monika Hauser] von der Antigewaltorganisation Medica Mondiale. So wie von Generalmajor Renk.
Hartmut Harro Renk – der von Verteidigungsminister Pistorius wohl bald in den Ruhestand versetzt wird, immerhin das – hat seinen Satz im Nachhinein a) zugegeben, meint aber b) er habe nur einen bekannten Spruch benutzt, den er c) ironisch verstanden wissen wollte.
Das ist die ABC-Waffe jedes Ignoranten in Sachen sexualisierter Gewalt. Zugeben, wenn leugnen nichts bringt, nivellieren, sich verbrüdern. Funktioniert doch. Ja, wenn nicht auch Frauen bei besagtem Meeting gewesen wären. Eine britische Soldatin meldete den Vorfall – sie wüsste, auf welcher Seite sie stünde.
Neuerdings sind Sachen wieder sagbar, die in einer aufgeklärten Gesellschaft, in der Menschenrechte geachtet werden, überwunden schienen. Nichts da. Es ist so bitter.
25 May 2025
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