taz.de -- Umgang mit der Hamas: Der blinde Fleck der Antizionisten

Weder die Hamas noch die Palästinensische Autonomiebehörde stehen für Menschenrechte oder Freiheit. Die Sicht der postkolonialen Blase ist oft zu einseitig.
Bild: Mit diesem Outfit könnte die Person wohl nicht einfach so durch Gaza-City spazieren

„Free Palestine“ ist ein Slogan, mit dem man nicht nur einen politischen Willen formuliert, sondern ein ganzes Weltbild transportiert und anzeigt, in welchem Sessel man im geopolitischen Salon sitzt, denn von wem Palästina befreit werden soll, liegt auf der Hand. Doch wie soll dieses freie Palästina denn eigentlich aussehen?

Man gewinnt den Eindruck, Palästina sei durch die postkoloniale Wahrnehmung und aufgrund seines Status als unterdrücktes Land moralisch integer und dementsprechend über alle humanitären Zweifel erhaben. Israel gilt als der alleinige Aggressor. Keine Besatzung = keine Hamas, so die verkürzte Gleichung. Warum fällt es der postkolonialen Blase nur so schwer, die Mächtigen Palästinas in die Kritik einzuschließen?

Drei politische Köpfe der Hamas verfügen zusammen über [1][ein Vermögen von rund 11 Milliarden US-Dollar], während 53 Prozent der Bewohner des Gazastreifens in Armut leben. Bewaffneter Widerstand ist die Kernkompetenz der Hamas, aber damit nimmt sie eine Millionenbevölkerung ideologisch in Geiselhaft. Die Hamas blutet die eigene Bevölkerung aus, anstatt der überwiegend jungen Bevölkerung Sicherheit und Perspektiven zu bieten.

Ein Artikel der Times of Israel vom 11. Juni gibt Einblick das Nullsummenspiel der Hamas, nach welchem [2][höchstmögliche zivile Opferzahlen in Gaza] förderlich für sie seien. Abweichung oder gar offener Widerspruch gegen die [3][Hamas-Doktrin] werden unterdrückt. Die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland steht dem kaum nach. Es gibt keine unabhängige Opposition, JournalistInnen können nicht kritisch gegen die Führung berichten oder werden ermordet, wie der [4][Journalist Nizar Banat].

Tatsache ist: Palästina und Israel müssen sich gegenseitig etwas anbieten, um zum Frieden zu finden. Und die Machthaber Palästinas müssen dem Wunsch ihres Volkes nach Menschenrechten, Freiheit und Würde nachkommen. Gerade dieser Umstand bleibt bedauerlicherweise ein blinder Fleck in der antizionistischen Sphäre.

15 Jul 2024

LINKS

[1] https://nypost.com/2023/11/07/news/hamas-leaders-worth-11bn-live-luxury-lives-in-qatar/
[2] https://www.timesofisrael.com/hamass-sinwar-said-to-laud-high-civilian-death-toll-in-gaza-as-necessary-sacrifice/
[3] https://www.cfr.org/backgrounder/what-hamas#chapter-title-0-6)
[4] https://www.theguardian.com/world/2021/aug/31/nizar-banats-death-highlights-brutality-of-palestinian-authority

AUTOREN

Tobias Grießbach

TAGS

Antisemitismus
Palästina
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Feminismus
Hamas
GNS
Gaza
Punk
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Gay Pride
Palästina
Shoa

ARTIKEL ZUM THEMA

Punker „Rotten“: Johnny Rotten findet die Hamas doof und Trump toll

Der ehemalige Leadsänger der Sex Pistols hat sich am Rande zu Israel geäußert. Die Jüdische Allgemeine feiert ihn, aber verschweigt auch etwas.

Bericht von Human Rights Watch: Die Hamas-Taten vom 7. Oktober

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zieht in ihrem Bericht ein eindeutiges Fazit: Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Pride Month: East Pride für Israel

Der East Pride Berlin ist eine eigenständige Stimme im LGBTI*-Konzert. Dieses Jahr ist das Motto „Homos sagen JA zu Israel“.

Die Wahrheit: Ein Regenbogen für Palästina!

Studierende lösen den Nahostkonflikt. Besuch beim „Dahlemer Call for Peace in Palestine“ auf dem Campus der Freien Universität Berlin.

„Free Palestine from German Guilt“: Der Antisemitismus der Progressiven

Deutsche Obsession mit der Shoah blende palästinensisches Leid aus, behaupten Aktivist*innen. Sie selbst dämonisieren Juden als Weiße Kolonisatoren.