taz.de -- Sorgen um Wissenschaftsfreiheit: Laute Kritik an Stark-Watzinger

Die Bildungsministerin prüft Streichung von Fördermitteln nach kritischem offenen Brief. Wissenschaftler:innen sind über das restriktive Vorgehen besorgt.
Bild: Steht in der Kritik: Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP)

Berlin taz | Vertreter:innen aus Wissenschaft und Forschung zeigen sich besorgt über die Zukunft der Wissenschaftsfreiheit. Er selbst habe den [1][offenen Brief] von Hochschullehrenden wegen pro-palästinensischer Uni-Besetzungen kritisiert, erklärte der Präsident der [2][Hochschulrektorenkonferenz] (HRK) Walter Rosenthal.

Man könne über die konkrete Meinungsäußerung inhaltlich streiten. „Eine Verknüpfung einer nicht strafbewehrten Meinungsäußerung mit der Frage einer weiteren Förderwürdigkeit der wissenschaftlichen Arbeit würde jedoch eine Verletzung der Wissenschaftsfreiheit darstellen.“

Prüfung rechtlicher Konsequenzen nach offenem Brief

Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hatte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gebeten, eine Streichung der Fördermittel für jene Hochschullehrer:innen zu prüfen, die den Brief unterzeichnet hatten. Zudem sollten straf- und dienstrechtliche Konsequenzen geprüft werden. Das zeigen [3][Emails], die der NDR am Dienstag veröffentlicht hatte.

Die betroffenen Wissenschaftler:innen hatten in ihrem offenen Brief im Mai Polizeieinsätze bei Uni-Besetzungen kritisiert und ein Absehen von strafrechtlichen Konsequenzen für die Besetzer:innen gefordert. Fast [4][400 Lehrende] haben ihn unterzeichnet, es gibt über 1.000 weitere Unterstützer:innen.

Aus dem hausinternen Mailverlauf geht allerdings auch hervor, dass Stark-Watzinger mit ihrem Vorhaben scheiterte. Man sei von der Prüfbitte irritiert und könne keinen prüffähigen Sachverhalt feststellen, heißt es in der Antwort der Referatsleitung.

Wissenschaftler:innen fordern Rücktritt

Auch das Netzwerk für gute Arbeit in der Wissenschaft (NAgWiss) kritisierte die Ministerin scharf: Der Versuch der Bundesministerin, „kritischen und teilweise ohnehin prekarisierten Forscher:innen quasi als Strafe für missliebige Stellungnahmen zur Versammlungsfreiheit Forschungsgelder zu entziehen, ist eine Grenzüberschreitung“, heißt es in einer Pressemitteilung. Das Netzwerk forderte Stark-Watzingers Rücktritt.

Die Staatssekretärin des BMBF, Sabine Döring, veröffentlichte noch am Dienstagnachmittag ein [5][Statement auf X]. Darin heißt es, „die Verfassungsmäßigkeit einzelner Aussagen im Brief“ sei „auf rechtliche Aspekte hin überprüft“ worden. Die Hausleitung habe zeitnah nach dem Prüfauftrag klargestellt, dass „zuwendungsrechtliche Aspekte“ nicht Teil der juristischen Überprüfung sein sollten.

Der Entzug von Fördermitteln habe in der Hausleitung nicht zur Debatte gestanden. Auf mehrmalige Nachfrage am Mittwoch in der Regierungspressekonferenz zitierte eine Sprecherin des Ministeriums lediglich aus diesem Statement.

Den Sorgen der Wissenschaftler:innen müsse nun entgegengewirkt werden, forderte Oliver Kaczmarek, bildungspolitischer Sprecher der SPD. „Man muss so schnell wie möglich klarstellen, dass die Förderentscheidungen des BMBF alleine von fachlichen Kriterien abhängig sind“, sagte er der taz.

12 Jun 2024

LINKS

[1] /Besetzungen-von-Hochschulen/!6006389
[2] https://www.hrk.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/meldung/stellungnahme-des-hrk-praesidenten-zum-aktuellen-ndr-bericht-ueber-das-bmbf-5061/
[3] https://daserste.ndr.de/panorama/download1200.pdf
[4] https://docs.google.com/forms/d/e/1FAIpQLSfVy2D5Xy_DMiaMx2TsE7YediR6qifxoLDP1zIjKzEl9t1LWw/viewform
[5] https://x.com/BMBF_Bund/status/1800537031698993394

AUTOREN

Emma Tries

TAGS

Wissenschaft
Bettina Stark-Watzinger
Forschung
Bildungsministerium
Freie Universität Berlin
Social-Auswahl
Naturwissenschaft
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Bettina Stark-Watzinger
Bettina Stark-Watzinger
Bettina Stark-Watzinger
Bettina Stark-Watzinger
Bettina Stark-Watzinger
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Wissenschaftsfreiheit
Schwerpunkt Nahost-Konflikt

ARTIKEL ZUM THEMA

Berlin Science Week: Keine Insel der Seligen

Auf der „Berlin Science Week“ dreht sich alles um die Wissenschaft. Thema ist auch die Krise, in der sie steckt.

Bildungsministerin unter Druck: Wie man die Wissenschaft beleidigt

Bettina Stark-Watzinger ist eine Fehlbesetzung. Ihr Umgang mit der Fördergeld-Affäre ist eine Belastung für die Wissenschaftsfreiheit.

Stark-Watzinger und Fördergeldaffäre: Unglaubwürdig, unplausibel

Am Mittwoch musste Ministerin Stark-Watzinger in den Bildungsausschuss. Viele Fragen der Abgeordneten zur Affäre um Gaza-Proteste blieben offen.

Rauswurf von Staatssekretärin: Allein im Bildungsministerium

Stark-Watzinger entlässt ihre Staatssekretärin, weil die Fördermittel-Kürzungen nach politischen Kriterien erwogen haben soll. Die Kritik an ihr selbst hält an.

Rausschmiss von Staatssekretärin Döring: Verspielte Glaubwürdigkeit

FDP-Ministerin Bettina Stark-Watzinger hat viele Pannen zu verantworten. Der Umgang mit ihrer Staatssekretärin ist der neueste Tiefpunkt.

Fördergeld-Affäre im Bildungsministerium: Pferdefreundin und Bauernopfer

Die geschasste Staatssekretärin Sabine Döring lehrte als Professorin Ethik. Im Ministerium wirkte sie eher wie das Sprachrohr ihrer Vorgesetzten.

Prüfauftrag nach Gaza-Protesten: Staatssekretärin Döring muss gehen

Das Bildungsministerium ließ Strafen für Autor*innen eines offenen Briefs prüfen. Konsequenzen gibt es jetzt – aber nicht für die Dozent*innen.

Reaktionen auf veröffentlichte E-Mails: Stark-Watzinger stark in der Kritik

Die Bildungsministerin wollte prüfen, ob kritischen Hochschullehrern Förderung entzogen werden kann. Einige sehen die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr.

Wissenschaftsfreiheit in Deutschland: Stark-Watzinger muss zurücktreten

Das Bildungsministerium wollte kritischen Wissenschaftlern die Fördermittel streichen: Das ist ein Fall von Machtmissbrauch. Er liegt im autoritären Trend.

Propalästina-Proteste an deutschen Unis: Wo endet die Meinungsfreiheit?

Der Nahostkrieg spaltet die Uni-Landschaft. Jüdische Studierende fühlen sich bedroht, propalästinensische Aktivist:innen beklagen, sie würden nicht gehört.