taz.de -- Rausschmiss von Staatssekretärin Döring: Verspielte Glaubwürdigkeit

FDP-Ministerin Bettina Stark-Watzinger hat viele Pannen zu verantworten. Der Umgang mit ihrer Staatssekretärin ist der neueste Tiefpunkt.
Bild: Berlin, 17. Juni: Berlin: Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung, stellt den Bildungsbericht vor

Als Bettina Stark-Watzinger 2021 das Bundesbildungsministerium übernahm, war die Erleichterung groß. Schlimmer als mit Amtsvorgängerin Anja Karliczek von der CDU kann es eigentlich nicht werden, dachten und sagten damals viele. Doch mittlerweile zeigt sich: Es geht schlimmer. Die FDP-Politikerin hat es fertig gebracht, seit ihrem Wirken so ziemlich alle relevanten Gruppen und Gesprächspartner:innen vor den Kopf zu stoßen: die Länder, die Wissenschaftler:innen und Studierenden, die Koalitionspartner. Mit Alleingängen (Bildungsgipfel), halbherzigen Reformen (Wissenschaftszeitvertragsgesetz, Bafög) – und zuletzt einem bedenklichen Verständnis von Wissenschaftsfreiheit.

Stark-Watzinger versucht nun, die Rücktrittsforderungen zu entkräften, indem sie ihre Staatssekretärin feuert. Doch daran zeigt sich das wahre Problem: Zu prüfen, ob man Forscher:innen mit unliebsamen Positionen Fördermittel streichen kann, ist eines Wissenschaftsministeriums schlicht unwürdig. Anstatt sich zu entschuldigen, dass sie – in dem berechtigten Anliegen, klare Kante gegen Antisemitismus zu zeigen – übers Ziel hinausgeschossen ist, lädt Stark-Watzinger die alleinige Verantwortung bei Staatssekretärin Sabine Döring ab und tut so, als habe sie von der internen Prüfung gar nichts gewusst. Glaubwürdig ist das nicht.

Stark-Watzinger hatte den Unterzeichner:innen eines offenen Briefes, gegen die die interne Untersuchung gerichtet war, zuvor öffentlich abgesprochen, auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen. [1][Harter Tobak, wenn Forscher:innen öffentlich fordern, dass das Versammlungsrecht auch für unliebsame Positionen gelten müsse]. Positionen übrigens, von denen sich die Unterzeichner:innen klar distanziert haben.

Was sagt Scholz?

Es sagt viel aus über Stark-Watzingers Isolation, wenn ihr eigenes Ministerium so irritiert ist, dass Mitarbeiter:innen interne Mails durchstechen – und wenn selbst den Hochschulen, die bei den propalästinensischen Protesten bislang meistens ohne große Bedenken hart durchgriffen, dieser Schritt zu weit geht. Mag sein, dass sich die Ampel damit zufriedengibt, dass der „personelle Neuanfang“ (Stark-Watzinger) ohne den Rücktritt der Ministerin auskommt – für die Wissenschaftsfreiheit ist dies jedoch ein verheerendes Signal.

Wenn die Ministerin dies nicht sieht oder nicht einsieht, muss der Kanzler einschreiten. Sonst verspielt nicht nur eine FDP-Bildungsministerin ihre Glaubwürdigkeit, sondern die ganze Regierung gleich mit. Und dass die Wählerinnen und Wähler fehlende Selbstkritik nicht allzu sehr schätzen, müsste die Ampel mittlerweile verstanden haben. Hoffentlich.

17 Jun 2024

LINKS

[1] /Wissenschaftsfreiheit-in-Deutschland/!6016855

AUTOREN

Ralf Pauli

TAGS

Bettina Stark-Watzinger
Wissenschaftsfreiheit
GNS
Bildung
Wissenschaft
Bettina Stark-Watzinger
Bettina Stark-Watzinger
Bettina Stark-Watzinger
Wissenschaft
Schwerpunkt Nahost-Konflikt

ARTIKEL ZUM THEMA

Digitalpakt 2.0 vor dem Aus: Die Schulen hoffen auf Özdemir

Mit dem Ampel-Aus steht der Digitalpakt 2.0 infrage und damit eine bessere IT-Ausstattung an Schulen. Eine neue Studie zeigt: Der Bedarf ist groß.

Wissenschaftzeitvertragsgesetz: Mogelpaket für Forschende

Weil junge Forschende selten feste Stellen in der Wissenschaft bekommen, soll ein Gesetz nachgebessert werden. Doch die Reform geht nicht weit genug.

CDU-Abgeordneter zu Fördergeld-Affäre: „Mehr Fragezeichen als Antworten“

In der Fördergeld-Affäre sabotiert die Bildungsministerin die Aufklärungsbemühungen des Parlaments, kritisiert CDU-Abgeordneter Thomas Jarzombek.

Stark-Watzinger unter Druck: Hat die Ministerin gelogen?

In der „Fördergeld-Affäre“ drängt die Opposition auf Aufklärung. Forscher:innen sorgen sich um die Zukunft.

Prüfauftrag nach Gaza-Protesten: Staatssekretärin Döring muss gehen

Das Bildungsministerium ließ Strafen für Autor*innen eines offenen Briefs prüfen. Konsequenzen gibt es jetzt – aber nicht für die Dozent*innen.

Sorgen um Wissenschaftsfreiheit: Laute Kritik an Stark-Watzinger

Die Bildungsministerin prüft Streichung von Fördermitteln nach kritischem offenen Brief. Wissenschaftler:innen sind über das restriktive Vorgehen besorgt.

Reaktionen auf veröffentlichte E-Mails: Stark-Watzinger stark in der Kritik

Die Bildungsministerin wollte prüfen, ob kritischen Hochschullehrern Förderung entzogen werden kann. Einige sehen die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr.