taz.de -- Vor den Parlamentswahlen in Spanien: Extreme Rechte wittert Chance

Spanien gilt bei Minderheitenrechten und Programmen gegen sexualisierte Gewalt als Vorreiter. Nach der Parlamentswahl am Sonntag könnte es damit vorbei sein.
Bild: Alberto Nunez Feijoo wettert gegen die Änderungen der Regierung Sanchez

Die Regierung verbietet die LGBTQ-Fahnen an öffentlichen Gebäuden, kulturelle Minderheiten werden ihrer Sprache beraubt, Filme und Theaterstücke wegen angeblicher homosexueller Propaganda abgesetzt. Die Regierung leugnet die Existenz sexualisierter Gewalt, ebenso wie den Klimawandel. Die Regierung zementiert eine rechte, ihr genehme Mehrheit in den oberen Etagen der Justiz. Alles, was aus Brüssel kommt, gilt als Globalisierungswahn. Nationales Recht steht wieder über EU-Recht.

Nein, die Rede ist nicht von Andrzej Dudas Polen, Victor Orbáns Ungarn oder [1][Giorgia Melonis Italien] – die Rede ist davon, was ab Sonntag Spanien nach den Parlamentswahlen blühen könnte. Denn der Kandidat der rechtskonservativen Partido Popular (PP), Alberto Núñez Feijóo, will, sollten denn die Stimmen reichen, mit der rechtsextremen VOX eine Koalition eingehen. Dass er keine Bedenken hat, solch rechtsextreme Programmpunkte umzusetzen, [2][das beweist Feijóos PP auf kommunaler und regionaler Ebene].

Spanien, das erst in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, nach dem Tod des [3][Diktators Franco] seinen Weg zur Demokratie fand, kann erstaunliche Fortschritte vorweisen, die selbst so manchen in Ländern wie Deutschland, Österreich oder Frankreich neidisch werden lassen.

Spanien gehört mit zu den Vorreitern bei Programmen gegen sexualisierte Gewalt, bei der Homoehe, [4][der Gesetzgebung für Transsexuelle] und auch bei der Euthanasie oder dem Recht darauf, dass Vorerkrankungen „vergessen werden“. Vieles davon könnte bald nach der Wahl Geschichte sein

Es wäre ein fatales Zeichen für die EU, wenn ein weiteres Land nach ganz weit rechts abdriften würde. Über ein Drittel der EU-Bevölkerung würde dann unter undemokratischen Regierungen mit Beteiligung oder ganz unter der Kontrolle der Rechtsextremen leben. Auch kein gutes Omen für die Europawahlen im kommenden Jahr. Am Sonntag geht es nicht nur um Spanien, es geht auch um die Zukunft der EU.

20 Jul 2023

LINKS

[1] /Italiens-Migrationspolitik/!5926166
[2] /LGBTI-Fest-in-Madrid/!5862599
[3] /Aufarbeitung-des-Spanischen-Buergerkriegs/!5900250
[4] /Trans-Gesetz-in-Spanien/!5783339

AUTOREN

Reiner Wandler

TAGS

Spanien
VOX
Partido Popular
Rechtsruck
Rechtspopulismus
Parlamentswahlen
Wahlen
Spanien
Spanien
VOX
Schwerpunkt LGBTQIA
wochentaz

ARTIKEL ZUM THEMA

Spaniens Rechte: Verdrehte Tatsachen

20 Jahre nach den Terrorattentaten tut sich Spaniens Rechte noch immer schwer mit den wahren Hintergründen. Und hält sich lieber an Fake News.

Zu den Parlamentswahlen in Spanien: Den Stier bei den Hörnen packen

Die spanischen Sozialisten könnten an der Macht bleiben. Dafür müssten sie die Vielfalt im Land repräsentieren. Es droht immer noch ein Rückschritt.

Ergebnis der Parlamentswahlen in Spanien: Sánchez mit zweiter Chance

Das rechts-rechtsaußen-Bündnis verfehlt die absolute Mehrheit. Pedro Sánchez' PSOE gewinnt Stimmen, braucht jedoch Regionalparteien als Unterstützer.

Vor den Wahlen in Spanien: Trailer eines Horrorfilms

Ein Erfolg der rechten Partei VOX bei den Wahlen in Spanien wäre für LGTBI und Frauen eine schlechte Nachricht, wie ein Blick in von VOX-regierte Orte zeigt.

Städtetourismus in Spanien: Das Geschäft hinter der Kultur

Notorisch überfüllte Straßen und steigende Mieten. Der Städtetourismus braucht zur Kulisse Museen und Kulturevents, zerstört dabei das urbane Leben.