taz.de -- Jamshid Sharmahd in iranischer Haft: Die Gunst der Stunde nutzen

Das Telefonat von Sharmahd mit seiner Tochter könnte ein Signal für Kompromissbereitschaft sein. Jetzt gilt es, sich für den Deutschen einzusetzen.
Bild: Jamshid Sharmahd vor einem Revolutionsgericht in Teheran, 2022

Sie sind frei!“, titelte die Bild-Zeitung im Februar 2011. Die Bild-Reporter Marcus Hellwig und Jens Koch, die vier Monate lang politische Geiseln des iranischen Regimes waren, wurden aus der Haft entlassen. Der damalige Bundesaußenminister Guido Westerwelle flog höchstpersönlich nach Teheran, um die beiden Journalisten nach Hause zu holen. Während der Albtraum von Hellwig und Koch nach vier Monaten endete, dauert er für Jamshid Sharmahd nun seit drei Jahren an.

Der 68-jährige deutsche Staatsbürger wurde im Sommer 2020 von Regimeschergen während einer Geschäftsreise aus Dubai in den Iran verschleppt. Am Montag kam die Meldung, dass seine [1][Tochter Gazelle Sharmahd] am Wochenende mit ihm telefonieren durfte. Seit zwei Jahren hatte das Regime der Deutschen, die in Los Angeles lebt, jegliches Gespräch mit ihrem Vater versagt. Seine Stimme habe müde geklungen, sagt Gazelle Sharmahd.

Er sei gebrochen, habe ihr Vater ihr am Telefon gesagt. Von [2][seinem Todesurteil], so die Tochter, habe er nicht einmal gewusst. Sie habe Angst, dass das sein Abschiedsanruf gewesen sein könnte, schreibt Gazelle Sharmahd auf Twitter. Tatsächlich ist es außergewöhnlich, dass die Machthaber der Tochter nach so langer Zeit erlauben, ausführlich mit ihrem Vater zu sprechen.

Es muss allerdings kein Abschiedsanruf gewesen sein: Das Regime könnte mit dem Telefonat ein Signal an die Bundesregierung gesendet haben. So vermutet es auch der bekannte und erfahrene Menschenrechtsanwalt Saeid Daeghi: Der Anruf könnte die „Bereitschaft“ des Regimes zeigen, mit der deutschen Regierung zu verhandeln, so schreibt der Jurist auf Twitter.

Als politische Geisel nicht anerkannt

Politisch wäre das einleuchtend. Während die Machthaber die Repression nach innen hochschrauben, suchen sie nach außen Stabilität. Die internationalen Beziehungen, die während der Protestbewegung durch die Menschenrechtsverletzungen des Regimes gelitten haben, normalisieren sich wieder. Das Regime braucht die politischen Deals mit dem Westen, um überleben zu können.

In den vergangenen Monaten zeichnete sich sogar eine Übereinkunft mit den USA ab, um die nukleare Frage zu lösen. Auch mit EU-Vertreter*innen gab es inzwischen mehrere Treffen. Das Regime könnte diese Entspannung mit einer großen „Geste“ – zum Beispiel der Freilassung von politischen Geiseln – fortsetzen wollen. Das Problem: Die Bundesregierung erkennt nicht einmal an, dass Jamshid Sharmahd eine politische Geisel ist.

Das Auswärtige Amt hat zwar das Todesurteil gegen ihn als „absolut inakzeptabel“ bezeichnet und [3][Annalena Baerbock] forderte, das Urteil aufzuheben. Doch von einer Entlassung aus der Haft war im Auswärtigen Amt nie die Rede. Das diplomatische Fenster, das sich in Bezug auf Sharmahd gerade öffnet, müsste die Bundesregierung nutzen und sich mit allen Mitteln dafür einsetzen, dass der Deutsche freikommt und zurück zu seiner Familie kann.

Die Zeichen, dass das Auswärtige Amt das tun wird, stehen allerdings nicht gut. Während der damalige Außenminister für die beiden BILD-Reporter nach Teheran flog, erkennt man heute, zumindest von außen, überhaupt keinen nennenswerten Einsatz der Bundesregierung für die Freilassung Sharmahds. Seine Freilassung wird, wie erwähnt, nicht einmal gefordert.

Darüber, so Gazelle Sharmahd, habe ihr Vater am Telefon nur bitter gelacht. Denn seine einzige Hoffnung, so richtete er sich an die Bundesregierung, seien die EU und die USA. Nur sie, so der 68-Jährige zu seiner Tochter Gazelle, könnten sein Leben retten.

17 Jul 2023

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AUTOREN

Gilda Sahebi

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