taz.de -- Gebäudeenergiegesetz und Handwerker: Der Winter kann wohl kommen

Die Regierung einigt sich auf letzte Details zum Heizungsgesetz. Klimafreundliche Heizungen sollen mit bis 70 Prozent gefördert werden.
Bild: Geheizt wird hier offenbar. Bloß womit?

Frankfurt/M. taz | „[1][Das Gebäudeenergiegesetz] hat uns wirklich extremst gefordert.“ Dennis Kern ist Meister für Sanitär und Heizungen, er führt einen Betrieb mit 20 Mitarbeitern im hessischen Dreieich und installiert für seine Kunden Pelletheizungen, Solaranlagen, Wärmepumpen sowie Öl- und Gasheizungen. Außerdem berät er seine Kunden auch als Energieberater. Aber eine solide Beratung sei in den letzten Monaten gar nicht möglich gewesen. Der Installateurmeister berichtet von verunsicherten Kunden, die „nicht wussten, was wird verboten, was geht noch, wie wird es finanziert“. Und aus Angst vor hohen Umrüstungskosten schnell noch eine vertraute Gasheizung orderten.

Mit der Verunsicherung und solchen Panikkäufen soll nun Schluss sein. [2][In der Nacht zum Dienstag haben sich die Spitzen der Ampelkoalition auf letzte Detail zum lange umstrittenen Heizungsgesetz geeinigt.] „Es ist gelungen eine Einigung zu erzielen, die Klimaschutz, Technologieoffenheit und sozialen Ausgleich verbindet. Damit bringen wir den Gebäudesektor auf den Weg zur Klimaneutralität“, heißt es in einem gemeinsamen Statement der Vizefraktionschef:innen von SPD, Grünen und FDP.

Einem Hintergrundpapier der Grünen zufolge sollen die Menschen bis zu 70 Prozent der Kosten für den Umstieg auf klimafreundliche Wärmequellen erstattet bekommen. Eine Grundförderung von 30 Prozent sollen alle erhalten, darüber wird es eine einkommensabhängige zusätzliche Förderung von bis zu 30 Prozent geben. Sie gilt für Menschen mit einem jährlichen Bruttoeinkommen bis 40.000 Euro.

Wer sich schneller als gefordert für eine klimafreundliche Heizung entscheidet, kann einen Bonus von 20 Prozent erhalten. [3][Wie das Nachrichtenportal Pioneer berichtet], beläuft sich die jährliche staatliche Fördersumme auf bis zu 9 Milliarden Euro.

Wie Pioneer weiter berichtet, sollen Vermieter:innen, die die staatliche Förderung in Anspruch nehmen, 10 Prozent der Kosten für den Austausch von Heizungen auf die Mieter:innen umlegen können, aber nicht mehr als 50 Cent pro Quadratmeter.

Linke kritisiert soziale Schieflage

Die Linkspartei kritisiert die bekannt gewordenen Fakten zur Förderung als sozial unausgewogen. „Selbst Geringverdienende müssten demnach ein Drittel der Einbaukosten übernehmen“, so der stellvertretende Parteivorsitzende Lorenz Gösta Beutin. Haushalte mit Durchschnittseinkommen müssten die Hälfte der fünfstelligen Summe selbst tragen.

Laut Grünen-Hintergrundpapier sollen nur unabhängige Energieberater die nötige Pflichtberatung für Menschen durchführen, die sich künftig doch für eine fossile Heizung entscheiden.

Heizungsinstallateur Kern dürfte letzteres entlasten. „Wir haben definitiv nicht die Zeit und das Personal, solche verpflichtenden Beratungen durchzuführen“, berichtet er. Schon jetzt müssten Kund:innen zwei bis drei Monate auf einen Beratungstermin warten.

Zudem, so erzählt er, sei der Altersdurchschnitt in der Innung recht hoch. „Nicht alle Kollegen sind so offen und steigen jetzt auch auf Wärmepumpen um.“ Manche würden sich dann eben darauf verlegen, die verbliebenen Öl- und Gasheizungen instand zu halten.

Kern, der auch Vorsitzender der Kreishandwerkerschaft in Offenbach ist, ist an diesem Montag zusammen mit anderen Meistern in die Handwerkskammer Frankfurt Rhein-Main gekommen, zu Gast ist die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast, die auf Sommerreise ist und von denen, die sie umsetzen sollen, erfahren will, wie das mit der Transformation klappt.

Während der Heizungsinstallateur berichtet und Mast eifrig mitschreibt, verhandeln in Berlin die Spitzen der Ampelfraktion noch über jene Details, die Kern so dringend vermisst hat. Die verabredeten Einzelheiten wollten die Fraktionen am Donnerstag verkünden, so ein SPD-Sprecher.

Bundestag soll vor der Sommerpause final entscheiden

Die zuständigen Ministerien für Klima und Wohnen arbeiten die von den Koalitionsspitzen verabredeten Änderungen nun in den Gesetzentwurf ein. Über die Änderungsanträge sollen sich Sachverständige am Montag in einer zweiten Anhörung beugen, am Dienstag sollen sie von den Fraktionen und am Mittwoch im Ausschuss für Klima und Energie beraten und beschlossen werden. Am kommenden Freitag will der Bundestag das Gebäudeenergiegesetz verabschieden. FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner hat am Dienstag verkündet, dass seine Partei zustimmen werde.

Für die FDP war zudem wichtig, dass [4][auf Wasserstoff umrüstbare Heizungen auch weiterhin eingebaut werden dürfen, wenn sie an ein Gasnetz angeschlossen werden können]. Die Liberalen ließen das auch so in den vor zwei Wochen vereinbarten gemeinsamen Leitplanken verankern.

Das Wasserstoff-Paradoxon

Das leuchtet Kern nun wiederum gar nicht ein. Woher so viel Wasserstoff nehmen bei gleichzeitiger Wasserknappheit? Zumal der viel dringender für die Industrie gebraucht werde. „Wenn wir teuren Wasserstoff ineffizient in Heizungen verbrennen, schießen wir uns ins Knie“, prognostiziert der Heizungsinstallateur. Mast muss lächeln und pflichtet ihm bei. [5][Gasheizungen, die mit Wasserstoff betrieben werden, seien wohl keine flächendeckende Lösung]. „Mir fehlt auch die Phantasie, wie das billiger sein könnte als andere Alternativen.“

Als Mast dem Heizungstechniker Kern am Montag versichert: „Wir werden das Gesetz vor der Sommerpause verabschieden, damit Sie Klarheit haben“, wirkt der erleichtert. Er lächelt und nickt.

27 Jun 2023

LINKS

[1] /Gebaeudeenergiegesetz-der-Ampel-Koalition/!5943009
[2] /Gebaeudeenergiegesetz-der-Ampel-Koalition/!5943009
[3] https://www.thepioneer.de/originals/others/articles/so-sieht-die-einigung-zum-heizungsgesetz-aus
[4] /Technologieoffenheit-der-FDP/!5936043
[5] /Habeck-und-Geywitz-beim-Fernwaermegipfel/!5937475

AUTOREN

Anna Lehmann

TAGS

Schwerpunkt Klimawandel
Ampel-Koalition
Energiewende
SPD
Wasserstoff
GNS
Ampel-Koalition
Ampel-Koalition
Ampel-Koalition
Bundestag
Niedersachsen
Schwerpunkt Klimawandel

ARTIKEL ZUM THEMA

Nach Eilantrag von CDU-Abgeordneten: Erst nach der Sommerpause

Das Bundesverfassungsgericht hat die Abstimmung über das Heizungsgesetz gestoppt. Erst im September entscheidet der Bundestag darüber.

Deckelung der Heizungsförderung: Limit gegen Wucher

Einem Bericht zufolge soll die Förderung für neue Heizungen bei 21.000 Euro gedeckelt werden. Damit soll ein Preiswucher verhindert werden.

Besteuerung von Oldtimern: Alter, das kann teurer werden

Oldtimer werden als Kulturgut günstiger besteuert. Doch immer mehr Autos fallen darunter. Dem Staat entgehen so jährlich bis zu 170 Millionen Euro.

Gebäudeenergiegesetz der Ampel-Koalition: Durchbruch beim Heizungsgesetz

Die Ampel-Koalition hat die letzten offenen Punkte beim Heizungsgesetz geklärt. Millionen von Bürger*innen sollen bald erfahren, was auf sie zukommt.

Klimaschutz in Niedersachsen: Rot-Grün bohrt Klimagesetz auf

Die niedersächsische Landesregierung will das Land nun schon bis 2040 klimaneutral machen. Für bedeutende Vorhaben ist ein Klimacheck vorgesehen.

Kommunale Wärmeplanung: Die Streber im Südwesten

Zahlreiche Städte in Baden-Württemberg haben ihre kommunale Wärmeplanung längst erledigt - und zeigen, was kluge Konzepte ausmacht.