taz.de -- Farc-Dissidenten in Kolumbien töten Kinder: Regierung setzt Waffenruhe aus

Nach jahrelangen Konflikten verhandeln Kolumbien und die Rebellen über Frieden. Die Ermordung von vier Kindern führt zu einem Rückschritt.
Bild: Nach dem Tod von vier Minderjährigen hat Präsident Petro den regionalen Waffenstillstand aufgekündigt

Bogotá afp | Nach der Tötung von vier minderjährigen Indigenen in Kolumbien mutmaßlich durch ehemalige Mitglieder der Rebellenorganisation Farc hat [1][Präsident Gustavo Petro] einen regionalen Waffenstillstand in vier Brennpunktregionen mit den linksgerichteten Rebellen aufgekündigt.

Die Waffenruhe „ist ausgesetzt und alle Offensiv-Operationen“ in den Regionen Meta, Caquetá, Guaviare und Putumayo „werden fortgesetzt“, sagte Petro am Montag. Die Guerilla-Gruppe verurteilte die Entscheidung der Regierung und sagte einen „Krieg“ voraus.

Vier zur Gemeinschaft der Murui gehörende „Kinder und Heranwachsende“ seien im kolumbianischen Amazonasgebiet „exekutiert“ worden, hatte die kolumbianische Ombudsstelle für Menschenrechte am Sonntag erklärt. Zuvor seien sie aus der Farc-Dissidentengruppe Front Carolina Ramírez ausgetreten. Zum Alter der Getöteten wurden zunächst keine Angaben gemacht.

Die Front gehört zur Rebellengruppe Estado Mayor Central und hatte einer zu Jahresbeginn von der Regierung vorgeschlagenen bilateralen Waffenruhe zugestimmt. Die vier Regionen, in denen Präsident Petro nun die Waffenruhe aussetzte, sind Hochburgen der Farc-Dissidenten.

Offensichtliche Menschenrechtsverletzung

Es handle sich bei der Rekrutierung und Tötung jugendlicher Indigener um „offensichtliche Menschenrechtsverletzungen“, erklärte die Menschenrechts-Ombudsstelle am Sonntag weiter. Die „Rekrutierung und Ermordung von Kindern und Jugendlichen aus indigenen Gemeinschaften“ sei „keine Geste des guten Willens, um Frieden zu erreichen“.

Der Estado Mayor Central kritisierte Petros Entscheidung. Der einseitige Abbruch „wird einen Krieg auslösen und die Zahl der Toten, Verletzten und Gefangenen wird sich vervielfachen“, gab die Gruppe in einer an die Medien gesendeten Erklärung an.

Kolumbien leidet seit mehr als einem halben Jahrhundert unter bewaffneten Konflikten zwischen dem Staat und zahlreichen linken Guerilla-Gruppen, rechten Paramilitärs und Drogenschmugglern. 2016 hatte die größte kolumbianische Guerillaorganisation Farc ein [2][Friedensabkommen mit der Regierung] unterzeichnet – das die Dissidenten der Farc aber ablehnen.

Seit dem Friedensabkommen ist die 1964 gegründete Gruppe Ejército de Liberación Nacional (Nationale Befreiungsarmee, ELN) die stärkste verbliebene Rebellenorganisation in Kolumbien.

Am [3][Silvestertag 2022 hatte Präsident Petro] – selbst ein ehemaliger Guerillero – verkündet, mit den fünf größten bewaffneten Gruppen des Landes einen sechsmonatigen Waffenstillstand vereinbart zu haben, darunter ELN und Farc-Dissidenten. Die ELN bestritt jedoch Tage später die Existenz des Waffenstillstands – woraufhin die kolumbianische Regierung ihn aussetzte.

Mitte Mai hatte Petro die [4][ELN nach dem Scheitern einer dritten Gesprächsrunde im kubanischen Havanna] zu einem regionalen Waffenstillstand aufgefordert. Die ursprüngliche Idee eines landesweiten Waffenstillstands sei „komplex, schwierig, sehr instabil und sehr gefährlich“, er schlage deshalb einen regionalen Waffenstillstand vor.

23 May 2023

LINKS

[1] /Friedensabkommen-in-Kolumbien/!5927960
[2] /Waffenstillstand-in-Kolumbien/!5905971
[3] /Friedensgespraeche-mit-ELN-in-Kolumbien/!5909942
[4] /Farc-Guerilla-in-Kolumbien/!5927953

TAGS

Kolumbien
Farc
Waffenstillstand
Südamerika
ELN
Gustavo Petro
GNS
Kolumbien
Kolumbien
Kolumbien
Kolumbien
Kolumbien
Kolumbien

ARTIKEL ZUM THEMA

Gemeindeführer in Kolumbien über Frieden: „Waffenstillstand ist das Wichtigste“

Die kolumbianische Regierung und die ELN-Guerillas haben eine Waffenruhe vereinbart. Ein Grund ist: Die Zivilbevölkerung soll mitreden dürfen.

Waffenstillstand mit ELN-Guerilla: Eine neue Etappe für Kolumbien

In Kolumbien tritt ein neuer Waffenstillstand mit der ELN-Guerilla in Kraft. Die Zivilgesellschaft soll die Friedensverhandlungen begleiten.

Friedenssuche in Kolumbien: Waffenstillstand aufgekündigt

Wieder Militär gegen Farc-Dissidenten: Vom „totalen Frieden“, den Kolumbiens Präsident erreichen will, bleibt immer weniger übrig.

Friedensgespräche in Kolumbien: Juristische Unklarheiten

In Mexiko spricht die ELN-Guerilla erneut mit der Regierung Petro. Erschwert wird das durch chaotisches Regierungshandeln.

Friedensgespräche mit ELN in Kolumbien: Auswegsuche beim Weg zum Frieden

Zu Silvester waren in Kolumbien die Friedensgespräche durcheinander geraten. Jetzt versuchen beide Seiten, die Fäden wieder aufzunehmen.

Waffenstillstand in Kolumbien: Präsident verkündet totalen Frieden

Staatschef Gustavo Petro verkündet einen Waffenstillstand mit den fünf wichtigsten Guerillagruppierungen. Bis Ende Juni soll es Friedensverhandlungen geben.