taz.de -- Rückkehr Syriens in die Arabische Liga: Brutale Tatsachen

Der Paria Assad ist zurück in der Arabischen Liga. Auf das Scheitern internationaler Syrienstrategien folgt zynische, aber pragmatische Realpolitik.
Bild: Das Portrait des syrischen Machthabers Bashar al-Assad auf einem Geldschein

Der Mann, der 2011 auf friedliche Demonstranten schießen ließ und der, um an der Macht zu bleiben, einen Bürgerkrieg mit fast einer halben Million Toten und mehr als 13 Millionen Vertriebenen in Kauf nahm, [1][dieser Baschar al-Assad] wird wieder in die Arme der arabischen Autokraten-Familie aufgenommen.

[2][Am Wochenende haben die Außenminister der Arabischen Liga beschlossen], die seit 2011 suspendierte syrische Mitgliedschaft wieder zu aktivieren. Es ist ein Meilenstein. Der Paria Assad ist in der Region wieder salonfähig.

Dieser Schritt hatte sich in den letzten Monaten abgezeichnet. Nach dem verheerenden [3][Erdbeben] hatte Assad die Gunst der Stunde genutzt, um für eine Normalisierung seines Regime zu werben. Nicht weil er plötzlich zu einem humaneren Umgang mit seiner Bevölkerung gefunden hätte, die er bluten, mit chemischen Waffen angreifen und zu Tausenden in seinen Folterkellern verschwunden ließ. Auch nicht, weil plötzlich Millionen Flüchtlinge nach Syrien zurückkehren, im Vertrauen, nicht weggesperrt zu werden oder im Heer jener 90 Prozent der Menschen in Syrien zu landen, die unter der Armutsgrenze leben.

Der Grund ist ein anderer: Die Idee, Assad international so lange zu isolieren, bis eine Alternative zu ihm aufgebaut wird, ist schlicht gescheitert.

Zynisch, aber pragmatisch

Insofern ist der Schritt der Arabischen Liga zynisch, aber zugleich pragmatisch. Jetzt hoffen die Golfstaaten und vor allem Saudi-Arabien, die sich lange gegen diesen Schritt gesträubt haben, mit ihrem Geld Einfluss auf das syrische Innenleben zu nehmen. Denn ökonomisch steht Assad auf tönernen Füßen. Sicher spielt auch die Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien eine Rolle. Jetzt können beider Länder ihre Einflusssphären in Syrien direkt miteinander aushandeln.

Es ist brutale Realpolitik, einen brutalen Diktator wieder aufzunehmen. Ein Sprecher des US-Außenministeriums erklärte dazu, die USA seien skeptisch, man glaube nicht, dass dieser Schritt zu etwas Gutem führe. Aber er ist auch ein Ergebnis einer international nicht vorhandenen Syrien-Politik. Die Anti-Assad-Phalanx bricht an ihrer schwächsten Stelle, den arabischen Staaten, weil diese 12 Jahre vergebens darauf gehofft haben, dass international ein Fahrplan ausgearbeitet wird, eine Alternative zu Assad zu finden.

Tatsache ist, dass die arabischen Staaten nicht mehr auf den Westen warten, der ein Jahrzehnt lang tatenlos zugesehen hat, während international Stillstand herrscht, weil Assads Verbündeter Russland im UN-Sicherheitsrat in Sachen Syrien alles blockiert.

Arabische Regionalpolitik

Es ist ein Trend: Die arabischen Staaten machen jetzt ihre eigene Regionalpolitik. Sei es die Annäherung zwischen dem [4][Iran und Saudi-Arabien], sei es die Befriedung des Jemen und was im Fall des Sudan passieren wird, bleibt abzuwarten.

Dass die arabischen Autokraten nun eigenständig die Probleme der Region lösen wollen, heißt nicht, dass ihre Politik besser wird als die bisherige, vom Westen und vor allem von den USA beeinflusste. Schließlich ist eines ihrer Motive ihr kollektiver autokratischer Machterhalt. Aber eines können sie in jedem Fall argumentieren: Anders als die USA und Europa haben die arabischen Staaten jetzt wenigstens eine Syrien-Politik.

8 May 2023

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AUTOREN

Karim El-Gawhary

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