taz.de -- Journalismus auf der Flucht: Schlaflose Nächte im Exil

Hunderte Journalist:innen sind nach dem Putsch aus Myanmar geflohen. Mithilfe von Bürgerreportern berichten sie weiter über ihre Heimat.
Bild: Pressefotograf vor einer Barrikade des antidiktatorischen Widerstands in Yangon

Der Onlinejournalist Ko Khant stammt aus Myanmars viertgrößter Stadt Bago. Bis zum Militärputsch am 1. Februar 2021 arbeitete der 23-Jährige in der 80 Kilometer südwestlich gelegenen Metropole Yangon für ein Nachrichtenportal. Dann floh er in seine Geburtsstadt, doch auch dort suchte ihn bald das Militär.

Im Mai 2021 gab es in Ko Khants Haus eine Razzia. Zum Glück war er gerade nicht zu Hause. Mit Kollegen aus seiner Redaktion floh er in ein von einer ethnischen Rebellengruppe kontrolliertes Gebiet. Doch wegen schwerer Kämpfe mit dem Militär zogen Ko Khant und einige Kollegen weiter nach Thailand. Dort arbeiten sie seitdem in der [1][Grenzstadt Mae Sot], wo laut Schätzungen inzwischen 400 [2][aus Myanmar geflohene Journalisten] leben, etwa 90 Prozent aller nach Thailand geflohenen Berichterstatter.

„In einem anderen Land ohne die korrekten Papiere zu leben ist schwierig. Ich fühle mich unsicher und habe ständig Angst“, sagt Ko Khant. Er hat nur eine sogenannte Pink Card. Die ist für Arbeitsmigranten gedacht, die damit nur einfache und schlecht bezahlte Jobs annehmen können. Trotzdem kostet die Pink Card samt Visum für das erste Jahr umgerechnet 520 Euro. Für Ko Khant sind das zwei Monatsgehälter.

Er verdient zwar in Thailand mehr als in Myanmar, doch reicht das im teureren Königreich nicht zum Leben. „Trotzdem ist es natürlich besser, einen Job zu haben, als gar keinen“, sagt er.

Medien verboten, Journalisten festgenommen oder getötet

Nach dem Putsch hat das Militär 13 myanmarische Medien verboten und viele Journalisten inhaftiert. Laut dem internationalen Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) wurden 2021 und 2022 in Myanmar 130 Journalisten festgenommen. 50 von ihnen sind noch in Haft, vier wurden seit dem Putsch getötet.

„Legal können Journalisten in Myanmar eigentlich nur noch für internationale Nachrichtenagenturen und für regimenahe Medien arbeiten“, sagt der Onlineredakteur Ko Htet von dem Nachrichtenportal Ayeyarwaddy Times. „Die regimenahen Medien arbeiten nicht professionell, sondern verbreiten nur die Propaganda des Militärs.“

Ins Exil geflohene Journalisten und Medien sind aber darauf angewiesen, dass sie von sogenannten [3][Bürgerjournalisten in Myanmar] Informationen bekommen. „Da wir Nachrichten aus der Ferne produzieren, sind die Bürgerjournalisten vor Ort wichtig für unsere Kommunikation mit lokalen Quellen.“

Laut Ma Yin Ying*, die als freie Journalistin aus dem thailändischen Mae Sot berichtet, sei es sehr schwierig, von dort über Myanmar zu schreiben. Denn mit Informanten in Myanmar zu kommunizieren, sei mühsam und umständlich. Sie selbst war im August 2021 vom Militär festgenommen und zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Am 1. Januar 2023 wurde sie begnadigt und kam frei.

Psychische Probleme plagen nach der Haft

„Nach meiner Haftentlassung habe ich mich in Myanmar nicht mehr sicher gefühlt. Ich bin über die Grenze nach Mae Sot geflohen“, erzählt sie. „Doch dort habe ich keinen Job gefunden und war gezwungen, frei zu arbeiten. Seitdem muss ich jetzt schneller sein als andere freie Journalisten und wichtige Informationen vor ihnen bekommen, damit ich überhaupt etwas verdienen kann.“

In den Hochburgen des Widerstands wie der Region Sagaing oder den Unionsstaaten Karen und Chin kappt die Junta immer wieder Telefon- und Internetverbindungen. „Lokale Quellen zu kontaktieren dauert dann sehr lange“, sagt Ma Yin Ying. „Einfacher bekomme ich dagegen Infos von juntanahen Medien innerhalb Myanmars. Aber sie verbreiten meist nur Propaganda und haben selbst kaum Informationen von vor Ort.“

Sie räumt ein, dass sie wie andere, die vom Militär verhaftet worden waren und Gewalt erlebten, seitdem psychische Probleme habe. Dazu kämen finanzielle Schwierigkeiten. „Ich kann nachts überhaupt nicht mehr richtig schlafen, seit ich freigelassen wurde“, sagt sie. „Selbst wenn ich wieder einschlafe, wache ich mit Albträumen auf.“

Auch im Exil nicht wirklich sicher

Richtig sicher sind die Journalisten aus Myanmar auch im thailändischen Exil nicht. Im März durchsuchten thailändische Sicherheitskräfte die Räume von Public Voice Television (PVTV). Offenbar ging Thailand auf Druck des myanmarischen Militärs gegen den Sender vor, der mit Sitz in Mae Sot das Sprachrohr von Myanmars Gegenregierung und -parlament im Untergrund ist.

„Wir waren gerade alle in der Redaktion, als die Polizei kam, um das Haus zu durchsuchen. Zum Glück wurde niemand festgenommen“, sagt ein Mitarbeiter, der verhört wurde und anonym bleiben will.

Der freie Fotojournalist Ko Kyaw San findet es wichtig, dass unabhängige Fotografen mit ihren Bildern weiter die Situation in Myanmar dokumentieren, auch wenn sie aus dem Exil oder aus Rebellengebieten sicherer berichten könnten. Die Nachrichtenfotografie liefere historische Bilder der Revolution, glaubt er.

Deshalb sollten viele Fotojournalisten vor Ort sein, auch wenn dies für sie, die leicht an ihren Kameras zu erkennen sind, besonders gefährlich ist. „Aber um in Myanmar arbeiten zu können, brauchen wir finanzielle Unterstützung“, sagt Ko Kyaw San. Er selbst musste seine Familie schon um Geld bitten, doch er will unbedingt weiter berichten.

Naw Betty Han nahm 2019 an einem Workshop der taz Panter Stiftung für Journalist*innen aus Südostasien in Berlin teil. Sie schrieb bis zum Putsch 2021 für verschiedene Medien in Yangon und arbeitet seitdem im Exil.

Aus dem Englischen von Sven Hansen.

Dieser Artikel ist am 3. Mai 2023 als Teil einer gemeinsamen Sonderbeilage der taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen zum Tag der Pressefreiheit erschienen.

3 May 2023

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AUTOREN

Betty Han

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