taz.de -- Pressefreiheit in Myanmar: „Politisches Kidnapping“

Der japanische Journalist Toru Kubota berichtete über verfolgte Minderheiten in Myanmar. Nun wurde er von der Militärjunta zu 10 Jahren Haft verurteilt.
Bild: „Keine Diktatur“: Demonstration gegen den Militärputsch in Yangon im April 2021

Der japanische Dokumentarfilmer Toru Kubota ist von einem der [1][Militärjunta Myanmars] unterstehenden Gericht zu Haftstrafen von zehn Jahren verurteilt worden. Er soll sie im berüchtigtem Insein-Gefängnis verbringen. Dies bestätigten am Donnerstag ungenannte japanische Diplomaten gegenüber Nachrichtenagenturen in Yangon.

Der 26-jährige Kubota, der bereits Filme über die verfolgte muslimische Minderheit der Rohingya und andere ethnische Gruppen in Myanmar gemacht hatte, war im Juli in der früheren Hauptstadt Yangon am Rande eines juntakritischen Protests festgenommen worden, den er gefilmt hatte. Er wurde am Mittwoch wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur elektronischen Kommunikation zu sieben und wegen Anstiftung zum Aufruhr zu drei Jahren Haft verurteilt. Ein weiteres Verfahren wegen Verstoßes gegen Einwanderungsgesetze soll noch anhängig sein.

Kubota ist der fünfte ausländische Journalist, der in Myanmar seit dem Militärputsch vom 1. Februar 2022 festgenommen wurde. Die US-Amerikaner Nathan Maung und [2][Danny Fenster], der Japaner Yuki Kitazumie und der Pole Robert Bociaga wurden abgeschoben, bevor sie ihre Haftstrafen ganz verbüßt hatten.

Der Fotograf Bociaga hatte unter anderem für deutsche Medien gearbeitet und auch [3][einen Artikel für die taz] geschrieben. Fenster, der für die Zeitung The Frontier in Yangon arbeitete, war im Mai 2021 am Flughafen festgenommen worden, als er das Land verlassen wollte. Er wurde zu elf Jahren Haft verurteilt. Nachdem er sechs Monate abgesessen hatte, konnte der frühere US-Gouverneur Bill Richardson seine Freilassung aushandeln.

Indirekte Anerkennung

Die Junta hat auch andere Ausländer wie kürzlich den australischen Wirtschaftsberater der gestürzten Regierungschefin Aung San Suu Kyi, [4][Sean Turnell], und die britische Ex-Botschafterin Vicky Bowman, zu Haftstrafen verurteilt. Die Verurteilungen verschaffen der international isolierten Junta eine indirekte Anerkennung, weil dann Diplomaten mit ihr das Gespräch suchen müssen, um ihre Staatsbürger freizubekommen.

Kubotas Verurteilung nennt der Videojournalist [5][Kyaw Soe] „eine Art politisches Kidnapping“. Er war Teilnehmer des letzten Workshops der taz Panter Stiftung für Journalisten aus Myanmar und macht derzeit ein Praktikum bei der taz.

Die Verurteilung von Ausländern erzeugt eine Aufmerksamkeit, von der lokale Gefangene nur träumen können. Doch jetzt kann die Weltöffentlichkeit genauer hinschauen. [6][Laut der lokalen Menschenrechtsorganisation AAPPB] wurden seit dem Putsch mindestens 15.766 Zivilisten festgenommen, 2.336 getötet und 84 zum Tode verurteilt.

Die Verurteilung von Kubota ist symptomatisch für den Umgang mit den Medien. In der [7][Rangliste der Pressefreiheit] der Organisation Reporter ohne Grenzen liegt Myanmar auf Platz 176 von 180.

Kritische Medien wurden nach dem Putsch verboten. Ein Großteil der Journalisten musste den Beruf wechseln, untertauchen oder fliehen. Da in Myanmar in den Personalausweisen auch der Beruf verzeichnet ist, bedeutet eine Eintragung als Journalist das permanente Risiko der Verhaftung bei einer Kontrolle. Viele Journalisten flohen deshalb ins Exil, doch können dort nur die wenigsten als Journalisten arbeiten.

Keine kritischen Fragen bei Presskonferenzen

Die Exilmedien bedienen sich hauptsächlich sogenannter Bürgerjournalisten, die unter hohem persönlichen Risiko über die Gräueltaten des Militärs wie über den zivilen wie bewaffneten Widerstand berichten. Werden Bürgerjournalisten festgenommen, gefoltert oder getötet, sorgt das selten für internationale Schlagzeilen.

„Die meisten Medien, die noch innerhalb des Landes arbeiten, wurden von der Junta eingeschüchtert oder werden vom Militär unterhalten“, sagte kürzlich Nathan Maung, des Gründer des Medienhauses Kamayut, [8][in einem Interview] mit dem Onlineportal Mohinga Matters. Auch er saß schon im Gefängnis.

Bei den seltenen Pressekonferenzen von Juntavertretern sei deren geringes Medienverständnis offensichtlich. Viele der anwesenden Journalisten hätten offenbar bisher nicht in diesem Job gearbeitet und stellten keine kritischen Fragen, so Maung.

6 Oct 2022

LINKS

[1] /Buergerkrieg-in-Myanmar/!5882944
[2] /Pressefreiheit-in-Myanmar/!5815280
[3] /Myanmar-nach-dem-Putsch/!5750748
[4] /Neue-Urteile-in-Myanmar/!5884831
[5] /Workshopteilnehmer-der-Panter-Stiftung/!5843922
[6] https://aappb.org/?p=23106
[7] https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/rangliste-2022
[8] https://mohingamatters.com/2022/06/09/truth-over-the-junta-the-choice-that-myanmar-journalists-make/

AUTOREN

Sven Hansen

TAGS

Schwerpunkt Myanmar
Militärjunta
Feinde der Pressefreiheit
Schwerpunkt Pressefreiheit
Schwerpunkt Pressefreiheit
Schwerpunkt Korruption
Schwerpunkt Myanmar
Schwerpunkt Myanmar
Schwerpunkt Myanmar
Schwerpunkt Pressefreiheit
Schwerpunkt Myanmar
Schwerpunkt Myanmar

ARTIKEL ZUM THEMA

Journalismus auf der Flucht: Schlaflose Nächte im Exil

Hunderte Journalist:innen sind nach dem Putsch aus Myanmar geflohen. Mithilfe von Bürgerreportern berichten sie weiter über ihre Heimat.

Justizfarce in Myanmar: Weitere Strafe für Aung San Suu Kyi

Die Gesamtstrafe für die gestürzte De-facto-Regierungschefin erhöht sich auf insgesamt 33 Jahre Haft. Beobachter sehen ein politisches Verfahren.

Gewalt in Myanmar: UN fordern unverzügliches Ende

Erstmals hat der UN-Sicherheitsrat die Gewalt in Myanmar verurteilt. Und das nach fünf Jahrzehnten der Militärherrschaft.

Massenamnestie in Myanmar: Rund 6.000 Freilassungen

Die Junta hat Menschenrechtler, Politiker und andere Inhaftierte aus dem Gefängnis entlassen. Sie waren zuvor zu teils langjähriger Haft verurteilt worden.

Militärdiktatur in Myanmar: Weitere Haftstrafe für Suu Kyi

Insgesamt wurde Aung San Suu Kyi somit zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Friedensnobelpreisträgerin befindet sich seit Juni in Einzelhaft.

Workshopteilnehmer der Panter Stiftung: Flucht aus dem Versteck

Nach dem Putsch in Myanmar konnte sich der Journalist Kyaw Soe lange verstecken. Dann gelang mithilfe der Panter Stiftung die Ausreise nach Berlin.

Pressefreiheit in Myanmar: Junta lässt US-Journalist frei

Danny Fenster war in Myanmar gerade erst zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Nun wurde er überraschend freigelassen.

Myanmar nach dem Putsch: Unerhörte Hilferufe

Die Protestbewegung gegen das Militärregime in Myanmar hatte sich viel Unterstützung aus dem Ausland erhofft. Nun fühlt sie sich alleingelassen.