taz.de -- Doku über Evangelikale: Schleichend, aber vehement

Radikale Evangelikale haben weltweit Einfluss. Eine neue TV-Dokumentation erzählt von den Strategien einer unterschätzten Bewegung.
Bild: Die radikal-religiöse Bewegung aus den USA mobilisiert weltweit Anhänger

Sie sitzen in den Gerichten, in Firmen, sind mächtige Abgeordnete im US-Kongress oder anderen Parlamenten und haben wichtigste politische Funktionen inne: Religiöse Fanatiker:innen, Vertreter:innen eines evangelikalen Nationalismus. Ihr Einfluss erfolgt schleichend, aber vehement. Es geht um die Deutungshoheit von Familienkonzepten, um den Kampf gegen Abtreibung, um die Zementierung von Macht, darum, ein Schwarz-Weiß-Denken zu etablieren. Wer gut oder böse ist – Gott zugewandt oder in der Hand des Teufels –, daran gibt es keinen Zweifel.

Eine dreiteilige Dokumentation auf Arte beleuchtet diese radikal-religiöse Bewegung in den USA und ihren Einfluss weltweit. Verbindungen gibt es nach Brasilien, nach Israel oder Europa.

Eine zentrale Figur ist [1][der ehemalige US-Präsident Donald Trump], der seit Jahren eine Allianz mit evangelikalen Bewegungen eingeht. Mit fatalen Folgen. Bestes Beispiel ist der Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021. Der Angriff auf das Herzstück der US-Demokratie war geprägt von Parolen wie „Im Namen Gottes“ und „Jesus, Jesus“-Rufen. Geistiger Vater ist der konservative, 2018 verstorbene Baptistenprediger Billy Graham. Seine Predigten zum „Bekehrungs-Kreuzzug gegen den Sittenverfall“ wurden weltweit ausgestrahlt, Anhänger:innen agieren weiter in seinem Namen.

„Die Bibel und die weiße Vorherrschaft“, ist die Grundlage ihrer Auslegungen, rassistische Untertöne sind eindeutig, bestätigen Beobachter:innen in der Doku. In einer postpandemischen Zeit, geprägt von einem brutalen Krieg in der Ukraine und geopolitischen Neuordnungen, fällt ihr Ansinnen auf fruchtbaren Boden. Die Doku deckt die Machenschaften einer unterschätzten Bewegung auf, deren Erfolg sich bei den US-Präsidentschaftswahlen 2024 zeigen wird. Auch Trump will wieder antreten.

3 Apr 2023

LINKS

[1] /Ex-Praesident-Donald-Trump/!5925313

AUTOREN

Tanja Tricarico

TAGS

Fundamentalismus
Dokumentarfilm
Donald Trump
Evangelische Kirche
Polen
Christen
Pedro Sánchez
Missbrauch
USA
Lesestück Recherche und Reportage
Brasilien
Schwerpunkt Abtreibung

ARTIKEL ZUM THEMA

Evangelikale in Polen: Gott liebt dich, außer …

… du bist homosexuell oder nimmst einen Schwangerschaftsabbruch vor. Meint zumindest ein Star-Prediger auf Tour in Polen.

Homophobe evangelische Christen: Freikirche rät Queers zum Zölibat

Der Bund freier evangelischer Gemeinden will homofeindliche Leitlinien festlegen. Der Lesben- und Schwulenverband sieht einen Widerspruch zum Grundgesetz.

Regelung in Spanien verfassungsgemäß: Richter billigen Abtreibungsrecht

Spaniens Verfassungsgericht lehnt eine Beschwerde gegen das liberale Abtreibungsrecht ab. Der Abbruch in den ersten 14 Wochen ist nun endgültig legal.

Evangelikale im Blick: Downhill spiral

Der Podcast „Toxic Church – Die Hillsong-Story“ gibt erstmals Einblicke in die Freikirche Hillsong Germany. Es geht um Machtmissbrauch, Gier und Sex.

Schwangerschaftsabbruch in den USA: Abtreibungspille weiter zugelassen

Ein US-Berufungsgericht stellt sicher, dass die Abtreibungspille Mifepriston auch weiter erhältlich ist. Einschränkungen beim Verkauf gibt es dennoch.

Midterm-Wahlen in den USA: Brennglas Pennsylvania

In den USA sind Zwischenwahlen. Welche Partei holt die Mehrheit im Kongress? Das könnte sich in dem nordöstlichen Swing State entscheiden.

Präsidentenwahl in Brasilien: Der Bolsonarismus lebt

Entgegen aller Untergangshymnen hat es Brasiliens rechtsextremer Präsident in die Stichwahl geschafft. Das zeigt: Bolsonaros Bewegung ist stark.

Schwangerschaftsabbrüche in den USA: Plötzlicher Realitätscheck

Im konservativen US-Bundesstaat Kansas sind 60 Prozent der Wähler gegen ein restriktives Abtreibungsrecht. Ein Rückschlag für die Republikaner.