taz.de -- Puigdemont droht Auslieferung: Teilerfolg für Spanien
Der EuGH erschwert es Belgien, Auslieferungsanträge abzulehnen. Puigdemonts Anwalt wittert dennoch eine Chance für geflohene Katalanen.
Madrid taz | Im Streit um die Auslieferung katalanischer Politiker hat Spanien einen Teilerfolg errungen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) schränkte in einem Urteil vom Dienstag die Möglichkeit eines EU-Staats ein, die Vollstreckung eines von einem anderen Land ausgestellten Eurohaftbefehls zu verweigern.
Hintergrund des Streits ist das umstrittenen Referendum Kataloniens über eine Abspaltung von Spanien im Jahr 2017. Spanien erkannte dies nicht an. Mehrere Organisatoren des Referendums wurden wegen „Aufruhrs“ und der „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ angeklagt. Dieser [1][Straftatbestand wurde zum Jahresbeginn 2023 abgeschafft].
Die sieben Angeklagten, darunter der ehemalige katalanische Autonomiepräsident Carles Puigdemont, waren überwiegend nach Belgien geflohen, weswegen Spanien europäische Haftbefehle ausstellte. Seither wird gestritten, ob Belgien diese vollstrecken und die katalanischen Politiker ausliefern muss. Puigdemont lebt in Brüssel und sitzt im Europaparlament. Laut dem Urteil darf Belgien die Auslieferung grundsätzlich nicht aus Gründen ablehnen, die allein im spanischen Recht liegen. Anders sei es, wenn dies zu einer Verletzung von Grundrechten führe.
Beim Urteil handelt es sich um einen Spruch zu einem Vorabentscheidungsgesuch des spanischen Richters Pablo Llarena am dortigen Obersten Gerichtshof. Llarena hatte vergebens versucht, die Auslieferung der Unabhängigkeitspolitiker zu erwirken. Das Gesuch bezieht sich auf die Ablehnung der Auslieferung des ehemaligen katalanischen Kulturministers Lluís Puig durch die belgische Justiz, ist aber auch auf die anderen drei im Exil Lebenden Politiker anwendbar.
Mehrere Auslieferungsanträge möglich
Während die Presse in Spanien das Urteil als „einen Schritt zur Auslieferung“ feiert, wertet der Anwalt von Puigdemont, Gonzalo Boye, den selben Spruch als einen Sieg im Sinne seines Mandanten. Denn der EuGH weist darauf hin, dass „wenn die gesuchte Person geltend macht, ihr drohe bei ihrer Übergabe an den Ausstellungsmitgliedstaat (im vorliegenden Fall Spanien) insofern eine Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren“, dies geprüft werden müsse.
Dazu wird es sicher kommen. Denn das Urteil ermöglicht es ausdrücklich, mehrere aufeinander folgende europäische Auslieferungsanträge gegen ein und dieselbe Person zu stellen. Hier könnten die Strafverteidiger der vier Exilierten ansetzen. Der spanische Richter hat Haftbefehle mehrmals erlassen und dann wieder zurückgezogen, je nachdem, welche Chancen er sich einräumte.
Weil drei der vier Betroffenen Europaabgeordnete sind, [2][genießen sie Immunität]. Das Europaparlament [3][wollte sie ihnen entziehen]. Auch darüber wird demnächst die europäischen Justiz urteilen müssen. (mit afp)
31 Jan 2023
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