taz.de -- Streit ums Bürgergeld: Spitzensteuersatz für die Ärmsten

Die Union hat das Bürgergeld zertrümmert. Dabei hat sie recht: Das Lohnabstandsgebot muss gewahrt bleiben – aber anders, als sie denkt.
Bild: Die völlig falschen Schlüsse aus der Kritik am Bürgergeld: Friedich Merz, Chef der Unionsfraktion

Mit aller Vehemenz hat die Union gegen das Bürgergeld angekämpft – [1][und es zertrümmert]. Alle Ansätze der Ampel, es den Ärmsten etwas leichter zu machen, wurden ausgemerzt. Dabei haben CDU/CSU in einem Punkt zweifelsohne recht. Das Lohnabstandsgebot muss gewahrt werden. Wer arbeitet, sollte deutlich mehr Geld haben als diejenigen, die das nicht tun.

Das Problem ist nur: [2][Die Union] zieht die völlig falschen Schlüsse aus ihrer Kritik. Sie nimmt den Ärmsten die Butter vom Brot, statt diejenigen zu fördern, die sich wenigstens einen schlecht bezahlten Job suchen. Die werden zur Kasse gebeten wie niemand sonst. Von Zuverdiensten werden, abgesehen von minimalen Freibeträgen, 70 oder 80 Prozent angerechnet. Von jedem verdienten Euro müssen also [3][weiterhin] 70 bis 80 Prozent an den Staat abgedrückt werden. Nur zum Vergleich: Der Spitzensteuersatz liegt selbst bei den Superreichen bei maximal 45 Prozent. Läge der bei 70 Prozent, würde die FDP sofort die Revolution ausrufen.

Aber ist dieser Vergleich nicht schräg? Schließlich zahlen die Reichen Geld an den Staat, die Armen bekommen nur weniger vom Staat. Stimmt. Aber zum einen verlangt von Gutverdienern auch niemand, dass sie bei Mehrverdienst erst mal Subventionen zurückzahlen oder auf Abschreibungen verzichten müssten. Zum anderen regelt der Grenzabgabesatz das Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Ganz egal ob der nun Anrechnungsquote oder Steuersatz heißt: Wer bis zu vier Fünftel seines Mehrverdienstes abgeben muss, bekommt nur eins gesagt: Lass es! Deine Anstrengungen sind ökonomisch gesehen Quatsch.

Ein Ansporn wäre es, wenn Unterstützungsbedürftige bis zum allgemeinen Einkommensfreibetrag abgabefrei hinzuverdienen dürften. Und darüber hinaus mit den üblichen geringen Sätzen besteuert würden. Anders gesagt: Wenn das Bürgergeld ein echter Schritt in Richtung Grundeinkommen gewesen wäre. Das wäre Grundlage in einer wirklich sozialen Marktwirtschaft.

23 Nov 2022

LINKS

[1] /Kompromiss-beim-Buergergeld/!5893723
[2] /Podcast-Bundestalk/!5895975
[3] /Kompromiss-beim-Buergergeld/!5893756

AUTOREN

Gereon Asmuth

TAGS

Spitzensteuersatz
Ampel-Koalition
Schwerpunkt Armut
Hartz IV
GNS
CDU/CSU
Bürgergeld
Löhne
Hubertus Heil
Schwerpunkt Armut
Ampel-Koalition
Kolumne Die Wahrheit
Ampel-Koalition
Ampel-Koalition
Hartz IV
Friedrich Merz

ARTIKEL ZUM THEMA

Abstimmung in Bundestag und Bundesrat: Freie Bahn fürs Bürgergeld

Das Bürgergeld kommt zum 1. Januar 2023. Bundestag und Bundesrat stimmten dem im Vermittlungsausschuss vereinbarten Kompromiss zu.

Armut in Deutschland: Spardruck trifft auch die Mitte

Die Inflation verschärft die soziale Lage, viele Leute müssen massiv sparen. Steigt die Armutsquote? Das Institut DIW hält das für nicht erwiesen.

Einigung im Vermittlungsausschuss: Freie Bahn fürs Bürgergeld

Wie erwartet hat der Vermittlungsausschuss den Kompromiss zum Bürgergeld am Mittwochabend beschlossen. Ampel und Union loben die Einigung.

Die Wahrheit: Arbeit darf sich nicht mehr lohnen

Denken Sie bitte mit: Der Begriff des Sozialschmarotzers muss grundlegend neu definiert werden, soll es gerechter zugehen in unserer Gesellschaft.

Kompromiss beim Bürgergeld: Gespenster aus dem Gruselkabinett

Rein taktisch ist der Kompromiss beim Bürgergeld ein Sieg der Union. Die von ihr angefachte Sozialneid-Debatte aber offenbart das wahre Problem.

Kompromiss beim Bürgergeld: Bürgergeld light oder Hartz V?

Besonders die Ampel ging weit auf die Union zu. Betont aber den Kern des Bürgergeldes erhalten zu haben. Stimmt das?

Kompromiss beim Bürgergeld: Kein Problem für Karlsruhe

Der Verzicht auf die teilweise sanktionsfreie Vertrauenszeit beim Bürgergeld ist mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vereinbar.

Kompromisse zum Bürgergeld: Mehr Sanktionen, weniger Karenzzeit

Im Streit ums Bürgergeld gibt es Bewegung. Zuvor hatte der Sozialverband VdK eine Warnung ausgesprochen.