taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Webstuhl der Experimente

Die Violinistin Biliana Voutchkova improvisiert in verschiedenen Duo-Konstellationen. Das Ergebnis sind Alben voller Soundsplitter und Schönheit.
Bild: Experimentiert mit Violine, Stimme und Perkussion: Biliana Voutchkova

Eins und eins macht viele. Die zeitgenössische Violinistin Biliana Voutchkova veranstaltet seit dem Frühjahr eine Serie von Duokonzerten, zu denen sie sich Gäste aus dem Bereich der experimentellen Musik einlädt. Aus der Reihe heraus entstehen insgesamt sieben Alben. Die beiden aktuellsten sind im September erschienen, und eines davon gehört passgenau in den verlängerten Nachsommer des Jahres 2022.

„Like Thoughts Coming“, das gemeinsame Album mit der Violaspielerin Joanna Mattrey, bringt es mit fünf Stücken auf eine Laufzeit von einer knappen Dreiviertelstunde. Vogelstimmen und Stadtgeräusche, Field Recordings aus dem Garten einer Freundin, fungieren gleichberechtigt in der kammermusikalischen Besetzung.

Voutchkova und Mattrey loten die Möglichkeiten der Streichinstrumente erheblich aus und sorgen für Überraschungsmomente: Es gibt perkussive Sequenzen und kitschbefreiten Folk. In dem zehnminütigen Stück „Approaching Memory“ geht es zu wie in einem Webstuhl.

Das Album „Bagra“ mit der Trompeterin Susana Santos Silva umfasst zwei Stücke in knapp einer Stunde. Aus Hektik wird große Ruhe, an Soundsplitter schließen sich getragene Drone-Flächen an. Voutchkova und Silva spielen zusätzlich nicht näher benannte Objekte, bei Voutchkova kommen noch Stimme und Perkussion hinzu und in der 17. Minute des zweiten Stücks „Geraldine“ sogar ein Klavier.

Ab der 20. Minute stellt sich in der Interaktion der beiden Musikerinnen unglaubliche Schönheit ein. Also, nur keine Bange vor der improvisierten Musik. Sie trägt bei zur Unbeschwertheit.

5 Nov 2022

AUTOREN

Robert Mießner

TAGS

taz Plan
Kolumne Berlinmusik
Experimentelle Musik
Kammermusik
taz Plan
Sound der Stadt
taz Plan
taz Plan
taz Plan

ARTIKEL ZUM THEMA

Neue Musik aus Berlin: Stetig gehämmert

Für sein neues Album „Good Morning“ hat Alexander Markvarts seine Akustikgitarre unter anderem in einem Swimmingpool eingespielt. Das klingt Hammer.

Konzertempfehlungen für Berlin: Im Zeichen des großen X

Hundert Jahre Iannis Xenakis, ein sehr großes Ensemble in kleiner Spielstätte und folkloristischer Minimalismus stehen diese Woche auf dem Programm.

Neue Musik aus Berlin: Ganz eigenes Amalgam

Das Melt Trio wächst auf seinem neuen Album „Consumer“ noch mal über seine Crossover-Begabung hinaus. Nu Jazz trifft auf Progrock trifft auf Ambient.

Neue Musik aus Berlin: Im Feedbackraum der Pilze

Das Berliner Duo Spill assoziiert mit seinem Album „Mycelium“ das Wurzelsystem der Pilze und deren Verständigung mittels elektrischer Signale.

Neue Musik aus Berlin: Lied der Erinnerungen

„Now and Then“, das neue Album der Band Multumult ist urbane Folklore und psychodelisches Experiment. Vor allem lehrt es die Facetten der Melancholie.