taz.de -- Gewinne von Stromerzeugern: EU will 140 Milliarden einsammeln

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will hohe Gewinne bei Energiekonzernen abschöpfen. Das Geld soll an Haushalte und Unternehmen gehen.
Bild: Will Gewinne abschöpfen: Ursula von der Leyen

Straßburg afp | Die EU-Kommission verspricht den Mitgliedsländern hohe Einnahmen durch die geplante [1][Abschöpfung der Gewinne von Stromerzeugern]. Dieser „Vorschlag wird den Mitgliedstaaten mehr als 140 Milliarden Euro einbringen“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Straßburg in ihrer Rede zur Lage der EU. Das Geld werde „denjenigen zugute kommen, die es am meisten brauchen“.

Die EU-Kommission hat den 27 Mitgliedstaaten eine [2][Gewinn-Deckelung für Stromerzeuger] als eine von mehreren kurzfristigen Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise vorgeschlagen. Hintergrund ist, dass billig produzierende Stromerzeuger etwa im Bereich der erneuerbaren Energien satte Gewinne einfahren, weil auf dem europäischen Strommarkt das Merit-Order-Prinzip gilt: Der Preis wird durch das am teuersten produzierende Kraftwerk bestimmt, derzeit also durch Gaskraftwerke.

Die übermäßigen Gewinne von Produzenten von Öko- oder Atomstrom sollen die Regierungen umleiten, um Haushalte und Betriebe zu unterstützen. Darauf hatten sich die Energieminister der EU-Länder vergangene Woche in Brüssel grundsätzlich geeinigt und die Kommission aufgefordert, diese Idee auszuarbeiten.

Die Kommission will dies laut bislang bekannt gewordenen Plänen in Form einer Verordnung umsetzen, also mit einem für alle Mitgliedstaaten gültigen Gesetz. Am Mittwochnachmittag will die Kommission ihren Vorschlag mit mehr Details offiziell vorstellen. Die EU-Energieminister kommen dann Ende September erneut zusammen, um darüber zu beraten.

„Krisenbeitrag für Stromerzeuger“

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Franziska Brantner (Grüne), begrüßte von der Leyens Vorschläge zur Umverteilung übermäßiger Gewinne. „Haushalte und Unternehmen müssen europaweit spürbar entlastet werden“, erklärte Brantner.

Von der Leyen kündigte zudem an, dass Stromerzeuger, die aus fossilen Brennstoffen ihren Strom gewinnen, einen „Krisenbeitrag“ zahlen sollen. Die Mitgliedstaaten sollen zu Spitzenzeiten ihren Stromverbrauch senken.

Die Kommissionspräsidentin bekräftigte vor den Parlamentariern, dass ihre Behörde neben diesen kurzfristigen Maßnahmen „eine tiefgreifende und umfassende Reform des Strommarktes“ plane. „Das derzeitige Strommarkt-Design, das auf dem Merit-Order-Prinzip beruht, ist nicht mehr zweckmäßig“, sagte sie. „Wir müssen den dominierenden Einfluss von Gas auf den Strompreis entkoppeln.“

Länder wie Frankreich, Tschechien und Österreich hatten sich schon länger für eine Entkopplung ausgesprochen, was eine solche Reform voraussetzen würde. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte sich vergangene Woche für eine Entkopplung des Strompreises vom Gaspreis ausgesprochen, „ohne dass wir die Marktmechanismen zerstören“.

Von der Leyen betonte zudem, dass die EU verstärkt auf Wasserstoff setzen wolle. Bislang ist die Infrastruktur für Wasserstoff in Europa wenig ausgebaut. Dafür solle eine europäische Wasserstoff-Bank gegründet werden, sagte die Kommissionspräsidentin. Diese werde dabei helfen, „den Kauf von Wasserstoff zu sichern“. Drei Milliarden Euro sollen der Bank für Investitionen zur Verfügung stehen.

14 Sep 2022

LINKS

[1] /Debatte-ueber-Atomkraft/!5878256
[2] /Ministertreffen-zur-Energiekrise/!5881074

TAGS

Energiekrise
Ursula von der Leyen
Energiekonzerne
EU-Kommission
Ursula von der Leyen
Energiekrise
Strompreisbremse
Unterstützung
Energiekrise

ARTIKEL ZUM THEMA

EU-Kommission plant Notfallinstrument: Brüsseler Machtfantasien

Brüssel will Unternehmen künftig vorschreiben, welche Produkte sie wo produzieren. Eine schlüssige Begründung für das neue Notfallinstrument fehlt.

Strom könnte billiger sein statt teurer: EEG-Umlage zu früh abgeschafft

Mit der Gebühr sollte Ökostrom gefördert werden. Die Ampel schaffte sie ab. Tatsächlich hätte sie den Strompreis ab 2023 senken können.

Ministertreffen zur Energiekrise: EU-Staaten wollen Preisbremse

Den stetig steigenden Preisen für Gas und Strom soll schnell Einhalt geboten werden. Außerdem wollen die Regierungen Krisen-Übergewinne abschöpfen.

Fragen und Antworten zu Energiepreisen: Bleiben die Wohnzimmer warm?

Im dritten Entlastungspaket plant die Regierung eine Strompreisbremse, lässt aber die Gaskund:innen allein. Und nun?

Pläne zur Reform des EU-Strommarkts: Preise sollen wieder sinken

Nicht nur beim Gas, auch beim Strom steigen die Kosten. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen will nun die Preisbildung dafür in Europa reformieren.