taz.de -- Streik im spanischen Frauenfußball: Die Pfiffe blieben aus

Spanien hat eine vom Männerverband unabhängige Fußballliga der Frauen. Zum Start haben die Schiedsrichterinnen gestreikt.
Bild: Als Schiedsrichterinnen noch ein Plakette genügte: Finalreferees der Women’s Champions League 2019

Stell dir vor, es ist Aufbruch und niemand geht hin. So jedenfalls erging es in dieser Woche der Liga F, der ersten spanischen Profiliga der Frauen. Alle Bälle lagen still, wo eigentlich der erste Spieltag einer neuen Profiära ausgetragen werden sollte. Die Schiedsrichterinnen streikten, sie forderten höhere Gehälter und Profiverträge.

Nicht nur der Ligastart lag damit auf Eis. Als das katalanische Team Levante Las Planas am Dienstag zum Pokal gegen Real Unión Tenerife auf die Kanarischen Inseln reiste, stand es ebenfalls umsonst am Platz. Keine Schiedsrichterin hatte die Anfahrt angetreten. Stattfinden konnten nur Pokalspiele ohne Erstliga-Schiedsrichterin. Eine Blamage für die mit viel Tamtam angekündigte erste Profisaison – und zugleich Ausweis dessen, dass es den Angestellten Ernst ist mit den Profiversprechen. Erst am Mittwochabend erfolgte nach mehreren Verhandlungsrunden die Einigung: Der zweite Spieltag wird wie geplant stattfinden.

Spanien ist ein fruchtbarer Boden für [1][Arbeitskämpfe im Fußball] der Frauen. [2][Erst 2019] hatten die Fußballerinnen für mehr Geld gekämpft und einen Spieltag platzen lassen. Sie erstritten nach Vermittlungen des Arbeitsministeriums ein Mindestgehalt von 16.000 Euro im Jahr und Vollzeitverträge – eine Basis, aus der die nun beschlossene Profiliga überhaupt erst entstehen konnte. Diesmal allerdings ging es um mehr als einen Arbeitskampf. Denn hinter den streikenden Schiedsrichterinnen steht der spanische Verband RFEF. Und dem warf die neue, unabhängige Frauenliga Blockadeverhalten vor.

Im Fahrtwind der EM – und gewiss auch mit dem Ziel, die englische Vormachtstellung anzugreifen – haben die spanischen Frauen im Sommer ihre eigene Profiliga ausgerufen. Sie versteht sich als feministisch und nennt sich Liga F, denn „Fußball ohne F schreibt sich nicht gleich“, so der Slogan. „Wir wollen der Türöffner sein, damit andere Sportlerinnen in Spanien auch Profis werden können“, sagte Präsidentin Beatriz Álvarez Mesa.

Das Projekt wird mit 30 Millionen Euro vom spanischen Staat subventioniert, und Veranstalterin ist die LPFF (Liga Profesional de Fútbol Femenino) – eine Organisation, die sich vom Verband lossagte, ähnlich wie es in Deutschland bei den Männern die DFL tat. Was dem spanischen Verband RFEF wohl nicht schmeckt.

Dass just dieser bisher nicht sonderlich an Feminismus interessierte Verband nun den Streik der Frauen unterstützte und gar in Verhandlungen für die Schiedsrichterinnen trat, brachte die Verantwortlichen der Liga F in Rage. Sie beschuldigten die RFEF des Boykotts. Der Verband wolle „wieder einmal die Frau als Mittel zum Zweck benutzen, um sein einziges Ziel zu erreichen: den spanischen Frauenfußball zu zerstören und zu verhindern, dass der professionelle Frauenfußball so wächst, wie er es gerade tut.“

Die Schiedsrichterinnen aber beharren darauf, dass ihre Forderung unabhängig vom Streit ist, den RFEF und LPFF austragen. Eine Profiliga, in der die Schiedsrichterinnen nicht einmal ein Mindestgehalt verdienen, sei nicht akzeptabel. „Wenn die Mädels jetzt wieder pfeifen würden, wären sie die einzigen Aktiven in dieser Liga, die keine Profis sind“, so Schiedsrichterchefin Yolanda Parga.

Die Schiedsrichterinnen forderten zunächst 50.000 Euro Jahresgehalt, rund ein Sechstel dessen, was ein Kollege in der ersten Liga der Männer verdient. Die LPFF bot ihnen 25.000, eine Vervielfachung der bisherigen Zahlungen. Die nun erreichte Einigung ist ein klarer Punktsieg für die Schiedsrichterinnen: Für jedes Spiel sollen sie künftig 1.666 Euro bekommen statt bisher 320 Euro. Für die Linienrichterinnen gebe es künftig 1.066 Euro je Spiel statt bisher 160 Euro. Eine rapide Professionalisierung gewissermaßen über Nacht.

Die Liga F saß freilich in diesem Streit am kürzeren Hebel. Um das Prestigeprojekt nicht schon im Entstehen zu zerschießen, musste sie schnellstmöglich dafür sorgen, dass der Ball rollt. Unterstützung bei der Finanzierung wird sie nun von zwei Seiten erhalten: Die RFEF wird in den ersten drei Jahren 350.000 Euro pro Jahr zur Bezahlung des Schiedsrichterinnenwesens beisteuern.

Einen weiteren Topf von 350.000 Euro stellt der beim Sport- und Kulturministerium angegliederte Sportrat CSD. Aus diesem Fonds sollen die Schiedsrichterinnen nach ihrer Profikarriere Geld erhalten. Am Wochenende nun beginnt er dann, der tatsächliche Aufbruch.

15 Sep 2022

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AUTOREN

Alina Schwermer

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