taz.de -- Die Kunst der Woche für Berlin: Wachsam im Späti

Jeden Tag ein neuer Beitrag: Zum Project Space Festival kommt im August wieder die freie Szene Berlins zusammen. Diese Woche mit Videokunst in Spätis.
Bild: Eine von fünf Videoherbergen: der Späti in der Krumme Straße in Charlottenburg

In Rheinland und im Ruhrgebiet heißen sie Kiosk oder Büdchen, in Berlin – ganz ähnlich zum Tschechischen Abendladen – Späti, was kurz für Spätkauf ist. In jedem Fall fühlen sich Städte ohne Späti leer an, so als seien sie Abends für öffentliches Leben geschlossen. Ein bisschen wie eine Stadt ohne Projekträume sich leer anfühlt, so als sei die Kunst nur bestimmten Klassen vorbehalten.

In Berlin, der Stadt der Projekträume, sind Spätis sowieso die Rettung: da, wo sich viele die Drinks nicht mehr leisten können, gibt es im Späti noch was zu Trinken, das man in den Park tragen oder auf dem Bürgersteig snacken kann kann. Und immer öfter auch auf ein paar Bierbänken vor der Tür. Manchmal wird warmes Essen angeboten oder ein Anruf ins Internet.

Eine Stadt mit Spätis beruhigt die subkulturelle Seele. Da, wo es Spätis gibt, ist keine:r allein. In Spätis kriegen Künstler:innen Pappmaterial für ihre Arbeit geschenkt. Und gelegentlich stellen sie in Spätis Videos aus. Dieser Tradition folgt nun das CCCCCOMA Kollektiv mit seinem Beitrag zum [1][Project Space Festival], das [2][dieses Jahr] wieder den ganzen August über einen neuen Beitrag pro Tag präsentiert.

CCCCCOMA ist kurz für [3][Curational Collective Connecting Concepts of Communication and Art e.V.], was das Thema der Gruppe, die am wandernden Ort arbeitet, schon benennt: Kommunikation, oder die Abwesenheit dieser, im öffentlichen Raum.

Körper in der Stadtgesellschaft

Da wo sonst digitale Werbebanner ihre Bahnen ziehen, nämlich auf den senkrechten Bildschirmen in den Fenstern der Spätis und der ein oder anderen Storefront, zeigt der von Linda Peitz kuratierte Beitrag “CCCCCOMA Commercials. I came in here for a special offer“ Videoarbeiten von [4][Heiner Franzen], [5][Kerstin Honeit], Artor Jesus Inkerö, Francis Kussatz, [6][Bjørn Melhus] und Vitalii Shupliak.

Die Arbeiten laufen am Donnerstag, den 11. August, auch schon vor der abendlichen Eröffnung den ganzen Tag über auf den jeweiligen Screens. Mit Trinkquellen an jedem Ort schafft man es an keinem Festivaltag lockerer von Charlottenburg durch Schöneberg über Mitte nach Kreuzberg und bis Neukölln – dem Bezirk, wo sonntägliche Verstöße gegen das Ladenschlussgesetz im Gegensatz zu anderen Bezirken regelmäßig kontrolliert werden. Auch hier zeigt sich die Stadt der Klassen.

Vielleicht spiegelt sich dieses Thema ja in den gezeigten Arbeiten, die Konsum und wirtschaftliche Interessen im städtischen Raum benennen, die Einbeziehung und Ausgrenzung von Menschen und Körpern in der Stadtgesellschaft, aber auch die soziale Utopie.

10 Aug 2022

LINKS

[1] /Archiv-Suche/!5598206&s=project+space+festival&SuchRahmen=Print/
[2] https://2022.projectspacefestival-berlin.com/de
[3] https://cccccoma.com/
[4] /Archiv-Suche/!5515740&s=heiner+franzen&SuchRahmen=Print/
[5] /Archiv-Suche/!5426323&s=Kerstin+Honeit&SuchRahmen=Print/
[6] /Gruppenschau-in-Berlin/!5734177

AUTOREN

Noemi Molitor

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