taz.de -- Türkischer Angriff im Nordirak: Ferienregion attackiert

Bei einem Artillerieangriff der Türkei sollen im Nordirak mehrere Touristen getötet worden sein. Das türkische Außenministerium dementiert.
Bild: Der Ort des Angriffs in der Ferienregion Barach am Mittwochabend

Erbil/Bagdad afp/ap | Der Irak hat die Türkei eines Artillerieangriffs mit mehreren toten Zivilisten im irakischen Kurdengebiet beschuldigt. Die irakische Regierung bestellte am Mittwoch den türkischen Botschafter in Bagdad ein, Ministerpräsient Mustafa al-Kasimi warf Ankara „eine eklatante Verletzung der irakischen Souveränität“ vor. Das türkische Außenministerium wies jegliche Verantwortung für die Gewalt zurück.

In der Ferienregion Barach seien mindestens vier Geschosse eingeschlagen, sagte der Bürgermeister des Bezirks Sacho, Muschir Mohammed, der Nachrichtenagentur AP. Das Gesundheitsministerium der Region erklärte, bei den Toten handle es sich um junge Leute und Kinder, das jüngste ein Jahr alt. Neun Menschen seien getötet, 26 Verletzte in Krankenhäuser gebracht worden.

Die meisten der Opfer seien „arabisch-irakische Touristen, mehrheitlich aus dem Zentral- und Südirak“, sagte der Vorsitzende des Bezirks Zacho, Muschir Baschir.

Das halbautonome Kurdengebiet im Irak ist im Hochsommer ein beliebtes Reiseziel für Iraker aus dem Süden, weil es hier nicht so heiß wird. Nach Angaben von Regierungsvertretern war es das erste Mal, dass Touristen bei türkischen Angriffen in der Gegend getötet worden sind. Die Türkei nimmt im Nordirak regelmäßig Kämpfer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK ins Visier. Die Touristengebiete in Sacho liegen nicht weit von Militärstützpunkten, die die Türkei errichtet hat.

Offensive gegen die PKK im Nordirak

Das türkische Außenministerium äußerte sein Bedauern, sprach den Hinterbliebenen sein Mitgefühl aus und wünschte den Verletzen schnelle Genesung. „Die Türkei ist gegen alle Angriffe auf Zivilisten“, erklärte das Außenministerium in Ankara. „Sie führt ihren Kampf gegen den Terrorismus in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht.“ Ankara sei bereit, „alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.“

Die Türkei hatte Mitte April eine neue [1][Boden- und Luftoffensive] gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Nordirak begonnen. Ankara und seine westlichen Partner stufen die PKK als Terrororganisation ein. Das Außenministerium deutete nun an, dass auch die getöteten Zivilisten auf das Konto der PKK gehen könnten.

Die [2][Militäroperationen der Türkei] beeinträchtigen seit längerem die Beziehungen zwischen der irakischen Zentralregierung und Ankara, einem der wichtigsten Handelspartner des Irak. Die Reaktion des irakischen Regierungschefs fiel nun aber ungewohnt scharf aus. Auch der irakische Präsident Barham Saleh verurteilte die „türkische Bombardierung“ als „Verletzung der Souveränität des Landes“ sowie als „Bedrohung der nationalen Sicherheit“.

Der irakische nationale Sicherheitsrat, dem unter anderem der Innen-, der Verteidigungs- und der Finanzminister angehören, forderte außerdem eine offizielle Entschuldigung der Türkei „und den Rückzug ihrer Streitkräfte aus dem gesamten irakischen Hoheitsgebiet“. Ankara hat in den vergangenen 25 Jahren mehrere Dutzend Militärstützpunkte im irakischen Kurdengebiet eingerichtet.

21 Jul 2022

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