taz.de -- Sommerserie Nah am Wasser: Kaltes klares Wasser
Rechenaufgabe: 26 Grad in Berlin, die Autorin hat beim Verfassen dieses Textes drei Liter Wasser getrunken. Wie lang hat das Schreiben gedauert?
Berlin taz | Was trinken Sie? Ich trinke Wasser. Kalt oder warm, mit Sprudel oder ohne, egal; auch kochend heiß durch Kaffee gefiltert oder mal mit einem Teebeutel aromatisiert (meist Kamille) und im Sommer gern mit Eis, Minze und einem Spritzer Zitronensaft drin. Aber das kriegt man hier leider nur selten. Es ist in Berlin manchmal gar nicht so einfach, Wassertrinker*in zu sein.
Dabei ist, das vorab, das Wasser hier eigentlich ziemlich gut, vom Leitungswasser rede ich jetzt. Das Berliner Trinkwasser hat eine hohe Qualität, ist meist kühl, immer klar, nicht gechlort und auch nicht teuer. Als Wassertrinker*in ist man deshalb gerade jetzt im Sommer gut beraten, stets eine Flasche davon dabei zu haben (die man mit etwas Glück an [1][mittlerweile fast 200 Trinkwasserbrunnen] in Berlin kostenlos nachfüllen kann). Denn sonst – und das ist der erste Grund, warum es manchmal gar nicht so leicht ist, Wassertrinker*in zu sein – kann's schnell teuer werden.
In meinem Neuköllner Späti zum Beispiel kostet das billigste Bier 70 Cent, die billigste Flasche Wasser 1,20 Euro. Das ist insofern merkwürdig, als Bier zu fast 95 Prozent aus Wasser besteht. Gut, das Wasser – meist auch noch in der kleinen Wegwerf-Plastikflasche, die ich eigentlich gar nicht haben will – wird als Mineralwasser verkauft und ist deshalb, der [2][deutschen „Verordnung über natürliches Mineralwasser, Quellwasser und Tafelwasser“] entsprechend, „von ursprünglicher Reinheit und gekennzeichnet durch seinen Gehalt an Mineralien, Spurenelementen“.
Im Bier dagegen befindet sich [3][laut einer Bierbrauer*innen-Webseite] meist einfaches Leitungswasser. Das allerdings ist, zumindest in Berlin und laut der Webseite der örtlichen Wasserbetriebe, ebenfalls „von naturbelassener Qualität“ und enthält „[4][Mineralien und Spurenelemente]“.
„They need it!“
Warum ist Bier also billiger? Interessante Frage, findet die Späti-Verkäuferin, die dort „nur Angestellte“ ist und lieber Englisch spricht: Wer Bier am Späti kaufe, gehe woanders hin, wenn's zu teuer sei, meint sie. Leute, die Wasser kaufen wollten, aber nicht, denn: „They need it!“
Eine gute Theorie, finde ich. Und eine, die, wie ich vermute, von vielen Berliner Gastwirt*innen geteilt wird: Denn wer in Restaurants – wo der Liter Mineralwasser in der gastronomischen Preisklasse, die ich mir leisten kann, zwischen 6 und 16 Euro kostet – schon mal um ein Glas oder gar eine Karaffe Leitungswasser gebeten hat, weiß, dass man dabei oft so missbilligend angesehen wird, also wolle man sich beim Jobcenter Leistungen erschleichen. Die man dann nicht bekommt, natürlich.
[5][0,2 Cent kostet ein Liter Leitungswasser] im Durchschnitt, für einen Cent gibt es also fünf, für einen Euro 500 Liter. Würde mir ein*e Gastwirt*in pro Liter Leitungswasser einfach einen Euro auf die Rechnung schreiben, würde ich mich freuen und das Restaurant hätte keinen Schaden – weder finanziell noch beim Image. Erlebt habe ich solchen freundlichen Service bisher allerdings eher in preiswerteren, oft türkischen, arabischen oder griechischen Restaurants, und dann übrigens meist ganz kostenlos. Dazu habe ich keine Theorie, doch es freut mich.
Freuen soll ich mich aber oft über etwas ganz anderes, und das ist der zweite Grund, warum es manchmal nicht leicht ist, Wassertrinker*in zu sein: Werde ich zu Essen, Partys oder anderen Festivitäten eingeladen, haben sich die Gastgeber*innen häufig etwas ganz Besonderes ausgedacht. „Extra für Dich! Weil Du doch keinen Alkohol trinkst!“ haben sie irgendwo – oft erschreckend teuren – alkoholfreien Sekt, Wein oder gar Wermut aufgetrieben oder einen aufwändigen Fruchtsaftcocktail kreiert, den ich mir schmecken lassen soll.
Das ist total lieb gemeint. Aber ich trinke eben lieber Wasser, oder mal ̕n Kamillentee halt, und ich verstehe auch gar nicht so recht, warum das etwas sein soll, über das man mich mitleidig hinwegtrösten muss. Denn so sind diese Ersatzangebote ja gemeint, wie ich vermute – das ist natürlich wieder nur eine Theorie: Es soll mir nicht peinlich sein, „nur“ Wasser zu trinken – und den Gastgeber*innen nicht, mir „nur“ solches zu servieren.
Ist es nicht. Bleiben wir aber trotzdem kurz bei „peinlich“, denn das Wort passt ganz gut, um hier kurz zu erklären, wie ich überhaupt zur Wassertrinkerin wurde. Was wiederum nötig ist, um zum dritten Grund zu kommen, der eben das manchmal schwierig macht. Wassertrinkerin bin ich, seit ich vor ziemlich genau achtundzwanzig Jahren endlich begriffen hatte, wie weit mehr als nur peinlich es wird, wenn man mit dem Alkohol trinken nicht umgehen kann. Dass ich seither (fast) nur Wasser trinke, hat, glaube ich, damit zu tun, dass ich dem Trinken seinen „Spaßfaktor“ nehmen wollte/musste: Trinken soll nicht meine Stimmung heben. Es soll bloß meinen Durst stillen. Mit der Späti-Verkäuferin gesagt: I need it. [6][Mein Körper braucht Wasser.] Gesüßte Limonaden, Saftcocktails oder alkoholfreien Sekt braucht er nicht.
Spaßbremse und Risiko
Das klingt vermutlich ziemlich nüchtern und darum ging und geht es (mir) ja auch, und damit sind wir beim dritten Punkt, der das Dasein als „nur“ Wasser- (oder in diesem Fall vor allem Nicht-Alkohol)-Trinkerin manchmal schwierig macht. Er lautet, als Frage formuliert: Kann man auf Partys trotzdem Spaß haben?
Meine persönliche Antwort ist: ja, aber. Natürlich kann es lustig sein, wenn man sich nach einer Party als Einzige an alles erinnert, was da so gesagt wurde und passiert ist. Aber diesen Spaß hat man dann meistens ganz exklusiv für sich; den anderen ist es – siehe oben – eher peinlich.
Und mir weinselige Monologe trunkener Freund*- oder Kolleg*innen anzuhören, habe ich mir ziemlich schnell abgewöhnt, das führt nach meiner Erfahrung zu nichts außer erstens wiederum peinlichen Entschuldigungen am nächsten Tag. Und zweitens und erheblich wichtiger: zu blödem Misstrauen. Dann nämlich, wenn der*diejenige wirklich nicht mehr weiß, was ich jetzt vielleicht alles über sie*ihn wissen könnte. Das macht die Nüchterne nicht nur zur Spaßbremse, sondern zum Risiko: ein Grund, warum ich früher sogar von Silvesterpartys gerne mal vor Mitternacht verschwunden bin.
Heute aber nicht mehr. Denn, was aber wirklich hilft und hier zum Schluss – auch, weil ja sonst viel zu selten – endlich mal lobend erwähnt werden darf und muss, ist: das Alter! Richtig schön fröhlich feiert es sich heute wieder, mit den Freund*innen, wie ich nun in ihren besten Jahren. Die fragen nämlich die Wassertrinkerin nach dem dritten Bier oder dem zweiten Glas Wein gerne mal: Alke, wo gibt’s hier eigentlich das Wasser?
27 Jul 2022
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Berlin bietet, was vielen Großstädten fehlt: Freiwasserschwimmen innerhalb der Stadtgrenzen. Und manchmal hat man einen See fast ganz für sich allein.
Ein Seemonster in Berlin? Merkwürdige Geräusche im Tegeler See haben Soundkünstler auf den Plan gerufen: Sie wollen das Untier mit Musik anlocken.
In den Trainingshallen im Sportforum Hohenschönhausen machen Eismeister aus Wasser den passenden Untergrund für Eiskunstlauf oder Eishockey.
Droht der Hauptstadtregion bald der Wassermangel? Die Ängste sind groß, aber das konkrete Wissen überschaubar. Was bedeutet das für die Politik?
Es könnte eng werden mit der Berliner Wasserversorgung, sagt Benedikt Lux (Grüne). Das Land brauche deswegen die Möglichkeit, Wasser zu rationieren.
In Brandenburg fällt die Panke trocken. Der Bürgermeister von Panketal verbietet nun das Füllen von Pools und Rasensprengen zwischen 17 und 21 Uhr.
Der Trinkbrunnenausbau soll in Berlin Zugang zu Wasser für alle ermöglichen. Zugleich ist er Teil einer politischen Agenda.
Kaum Niederschläge, Dürre, sinkende Pegel von Seen und Grundwasser – Anlass zur Sorge um die Wasserversorgung? Viele Fragen und viele Antworten.