taz.de -- Neues Grosz-Museum in Berlin: Beschlagnahmt, verschollen, zurück

Der Maler George Grosz flüchtete vor den Nazis in die USA. Das neu eröffnete Grosz-Museum in Berlin erinnert nun an seine Kunst.
Bild: Großstadt im neuen Grosz-Museum: Blick auf Hochbahn und George Groszs „American Couple“ (1932)

Er ist eine der großen Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts: der Maler, Grafiker, Satiriker, Karikaturist und politische Aktivist George Grosz. In seinen bissigen Bildern aus den Zwanzigerjahren erfasste er die chaotische Gesellschaft der Weimarer Republik und schuf bereits eine düstere Vorahnung von dem, was politisch auf sie folgen würde. 1933 aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die USA emigriert, fand seine Kunst aus den amerikanischen Jahren auch später nur wenig Resonanz.

Jetzt eröffnet in Berlin Das Kleine Grosz Museum. Es hat sich zur Aufgabe gemacht, die vielen Facetten mitsamt Früh- und Spätwerk des vor allem für seine Weimarer Jahre bekannten Zeichners und Malers zu vermitteln. Entsprechend stellt es in der Auftaktausstellung „Gross vor Grosz“ frühe Arbeiten des 1893 als Georg Ehrenfried Gross geborenen Künstlers vor, der später aus Protest gegen den Ersten Weltkrieg seinen Namen mit George Grosz ins Englische übersetzen sollte.

Fliegende Soldaten kann man auf den Skizzen eines Neunjährigen sehen, Ritterburgen auf den präzisen Zeichnungen eines Jugendlichen, und auf den Feder- und Aquarellarbeiten eines Studierenden in Berlin lässt sich ein späteres Sujet ausmachen: die Realität der Großstadt. Schon in den 1910er Jahren zeichnet sich auf diesen veristischen Bildern von Schlägern und Gaunern zwischen Berliner Baracken jener scharfe Grosz’sche Stil ab, für den er heute so weltbekannt ist.

Aktionsort dieses berühmten George Grosz aus der Weimarer Republik war Berlin. Er saß in Straßencafés und Kneipen, beobachtete, zeichnete, analysierte: „Der Künstler, auch wenn er es nicht will und weiß, lebt in stetiger Wechselbeziehung zur Gesellschaft“, schrieb er 1925. Mehrmals geriet er in Konflikt mit der Zensur, das Blatt „Gott mit uns“ schockierte auf der Ersten [1][Internationalen Dada-Messe 1920] derart, dass es gleich beschlagnahmt und der Künstler wegen Gotteslästerung angezeigt wurde. Seine Figuren machten das Drastische dieser Zeit verständlich. Suff und Drogen, Kriminalität, politische Straßenkämpfe und eine korrupte Staatsgewalt, das Leben zwischen einem monströsen Ersten und einem sich anbahnenden Zweiten Weltkrieg.

Die pointierten Gesellschaftsporträts aus der Weimarer Republik prägten die Kunst auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Trotzdem ist George Grosz in deutschen Museen heute nur selten vertreten. 1933 als „entartet“ verurteilt, beschlagnahmten die Nationalsozialisten sein Werk, viele seiner Bilder wurden zerstört, Sammler:innen ins Exil getrieben oder ermordet. Mit ihnen verschwand auch die Kunst von George Grosz. Bis heute ist gut die Hälfte seines Werks verschollen.

Wenige seiner Bilder sind gegenwärtig in öffentlichen Sammlungen, wie das Porträt des Schriftstellers Max Herrmann-Neiße in der Mannheimer Kunsthalle oder die berühmten „Stützen der Gesellschaft“ in der Berliner Neuen Nationalgalerie. Es ist etwas Besonderes, dass nun ein kleines privates Museum in Berlin-Schöneberg Werke aus dem Nachlass des Künstlers sowie aus Privatsammlungen in dieser Fülle präsentiert. Ins Leben gerufen hat das Museum der George Grosz in Berlin e. V., sein Vereinsvorsitzender Ralph Jentsch war noch mit dem mittlerweile verstorbenen Sohn Peter Grosz befreundet.

Die Biografie von George Grosz spiegelt das Schicksal vieler deutscher Emigranten wider. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten übersiedelt er 1933 nach New York. In Deutschland zum „Staatsfeind“ erklärt, porträtiert er 1934 vom Exil aus Adolf Hitler als gewaltigen Todesengel über Europa. Das Aquarell dieser düsteren Vorahnung ist nun in der ständigen Ausstellung des Museums zu sehen.

1938 wird Grosz US-Bürger, 1941 widmet ihm das Museum of Modern Art in New York eine Retrospektive. Dem folgen weitere Ausstellungen und die Aufnahme in die American Academy of Arts and Letters. Er scheint vollends in der US-Gesellschaft etabliert, als Stanley Kubrick ihn 1948 an der Fifth Avenue in Manhattan sitzend fürs Look Magazine fotografiert. Trotzdem siedelt George Grosz 1959 wieder nach Berlin um.

Nur einen Monat nach seiner Rückkehr stirbt er infolge eines Unfalls. Das Kleine Grosz Museum erinnert architektonisch an diese bedauerlich kurze Rückkehr eines herausragenden Künstlers in die Bundesrepublik. Es befindet sich in einer umgebauten Tankstelle im Standardtyp der Shell AG von 1956. Eine elegante Alltagsarchitektur der Nachkriegszeit. Direkt an der donnernden Hochbahn der U2 ist sie die richtige Bühne für einen George Grosz in Berlin.

16 May 2022

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AUTOREN

Renata Stih

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