taz.de -- Nachwirkungen der Flutkatastrophe: NRW-CDU droht Wüsterloo

Nach dem Rücktritt von Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser ist Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst stark angeschlagen.
Bild: Die Party ist vorbei: Ursula Heinen-Esser ist nicht mehr in Feierstimmung – die CDU auch nicht

Düsseldorf taz | Naturkatastrophen sind nicht nur für die Betroffenen furchtbar, sie können auch über politische Karrieren entscheiden. Die Hamburger Sturmflut von 1962 machte Helmut Schmidt legendär, die Oderhochwasser 1997 und 2002 bescherten „Deichgraf“ Matthias Platzeck einen kaum minder fabelhaften Ruf als Krisenmanager. Im Jahrhunderthochwasser vom Juli 2021 könnte hingegen nun die CDU in Nordrhein-Westfalen untergehen. Nach den Turbulenzen um und dem [1][Rücktritt von Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser am späten Donnerstagnachmittag] steht Ministerpräsident Hendrik Wüst vor einer Niederlage bei der Landtagswahl am 15. Mai.

Mitte Juli 2021 hatten Starkregenfälle zu dramatischen Überschwemmungen in NRW und Rheinland-Pfalz geführt. In den beiden Bundesländern verloren mehr als 180 Menschen ihr Leben. Von Anfang an stand die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung in der Kritik, erst die aufziehende Gefahr durch das Tief „Bernd“ nicht rechtzeitig erkannt und dann nicht adäquat reagiert zu haben. Der Düsseldorfer Landtag hat einen Untersuchungsauschuss zur Aufarbeitung eingesetzt.

Sein befremdlich wirkendes [2][Lachen bei einem Besuch im Flutgebiet] war für den damaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet der Anfang vom Ende seiner Kanzlerambitionen. Nun könnte dessen [3][Nachfolger Wüst] über das Verhalten von Landesumweltministerin Heinen-Esser in den Katastrophentagen stolpern. Denn diese war nur kurz für eine Krisenkabinettssitzung am 16. Juli 2021 aus ihrem Feriendomizil auf Mallorca nach Düsseldorf gejettet.

Sie flog jedoch umgehend zurück – angeblich, um ihre 15-jährige Tochter und deren Freund:innen zu betreuen und deren Rückflug zu organisieren. Im Landtagsuntersuchungsausschuss räumte sie im Februar ein, „während der ersten Tage der Flutkatastrophe“ auf den Balearen gewesen zu sein. Sie habe aber „in diesen vier Tagen umfänglich meine Amtsgeschäfte wahrgenommen“.

Doch das war gepfuscht. Denn am Donnerstag musste Heinen-Esser zugeben, deutlich länger auf Malle geblieben zu sein, nämlich bis zum 25. Juli 2021. Zwei Tage vor ihrer Rückreise veranstaltete sie noch eine Geburtstagsparty für ihren Ehemann, einen wohlhabenden Rechtsanwalt und früheren Kölner CDU-Ratsherrn. An der Feier nahmen auch ihre christdemokratischen Kabinettskolleg:innen Ina Scharrenbach und Stephan Holthoff-Pförtner sowie die damalige Integrationsstaatssekretärin und heutige Bundestagsabgeordnete Serap Güler teil.

Insbesondere für Heimatministerin Scharrenbach könnte es nun ebenfalls eng werden. „In der akuten Notlage war ihr die Insel wichtiger als die Heimat“, teilt SPD-Landes- und Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty bereits kräftig aus. Man müsse „die Frage stellen, ob sie noch über die notwendige Integrität verfügt, weiter im Amt zu bleiben“. Er sei nicht dieser Meinung.

SPD-Herausforderer Kutschaty liefert sich mit CDU-Ministerpräsident Wüst [4][bislang ein Kopf-an-Kopf-Rennen]. Doch das könnte sich jetzt ändern. Für Letzteren ist mit dem Rücktritt Heinen-Essers der unangenehme Fall jedenfalls noch nicht erledigt. Im Gegenteil.

9 Apr 2022

LINKS

[1] /Konsequenzen-nach-Kritik/!5848231
[2] /Katastrophenbewaeltigung-im-Wahlkampf/!5787109
[3] /Neuer-CDU-Vorsitzender-in-NRW/!5810296
[4] /Landtagswahl-in-Nordrhein-Westfalen/!5843121

AUTOREN

Pascal Beucker

TAGS

Nordrhein-Westfalen-Wahl 2022
Hendrik Wüst
CDU
Nordrhein-Westfalen
Flutkatastrophe in Deutschland
GNS
Anne Spiegel
Flutkatastrophe in Deutschland
Ursula Heinen-Esser
SPD
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine

ARTIKEL ZUM THEMA

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst: Jagd ist sein Hobby

Für die CDU und Friedrich Merz geht es bei der NRW-Wahl um viel, für Hendrik Wüst, den unbekannten Ministerpräsidenten, um noch mehr. Wer ist er?

Umgang mit der Flutkatastrophe: Anne Spiegel erklärt Rücktritt

Weil sie kurz nach der Flutkatastrophe an der Ahr in den Urlaub fuhr, war Anne Spiegel stark kritisiert worden. Jetzt ist die Familienministerin zurückgetreten.

Flutkatastrophe im rheinland-pfälzischen Ahrtal: „Apokalypse“ war nicht absehbar

Malu Dreyer kann im Mainzer Untersuchungsausschuss die Vorwürfe der Opposition parieren. Die fordert aber weiter Anne Spiegels Rücktritt.

Konsequenzen nach Kritik: NRW-Umweltministerin gibt Amt auf

Ursula Heinen-Esser war massiv dafür kritisiert worden, während der Flutkatastrophe überwiegend im Mallorca-Urlaub gewesen zu sein. Nun tritt sie zurück.

Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Wahlkampfauftakt ohne Gegner

Sechs Wochen vor der NRW-Wahl ist die SPD bereits mit Spitzenpersonal auf dem Platz. Und die CDU? Überlegt noch, wann sie einsteigt.

Thomas Kutschaty über NRW-Wahlen: „Die 1.000 Meter müssen weg“

In Nordrhein-Westfalen ist man auf fossile Rohstoffe aus Russland besonders angewiesen. Thomas Kutschaty, Spitzenkandidat der SPD will das ändern.