taz.de -- Boliviens Exportschlager Gold: Bergbau mitten im Schutzgebiet

Mit schweren Geräten und Einsatz von giftigem Quecksilber: Konzerne schürfen im bolivianischen Madidi-Park Gold – dabei ist es ein Schutzgebiet.
Bild: La Paz, 17. Februar: Protest gegen den Goldabbau

Hamburg taz | „Niemandsland“ titelte die regierungsnahe Tageszeitung La Razón, nachdem ein Reporter die Verwüstungen durch Bergbaugesellschaften am Rande des Nationalparks Madidi in Bolivien dokumentiert hatte. Bilder von Parkwächtern, die Bergleuten mit schwerem Gerät weichen mussten, kursierten da bereits en gros in den sozialen Medien.

Umweltschützer haben Dutzende von Anzeigen erstattet. Aber das Schürfen von [1][Gold] in und um den Nationalpark geht weiter, obwohl Wasserproben bereits belegen, dass die [2][Quecksilberbelastung] in den Flüssen der Region rapide steigt.

Der Madidi ist weltweit der einzige Park, der sich von 180 Metern über dem Meeresspiegel bis auf 5.760 Meter Höhe erstreckt. Rund um das zweihundert Kilometer nordwestlich von La Paz gelegene Schutzgebiet ist die in Bolivien extrem einflussreiche Bergbaulobby aktiv. Oscar Campanini, der Direktor des Dokumentations- und Forschungszentrum Boliviens (Cedib) hat in der Region geforscht, er hat eine Studie vorgestellt, die auch international zur Kenntnis genommen wurde und er hat auf die Kontaminierung hingewiesen. Alles ohne Erfolg.

„Das Gold ist zum wichtigsten Exportprodukt Boliviens geworden, obwohl mit seiner Förderung die Kontaminierung ganzer Regionen und der Menschen einhergeht“, sagt der Wissenschaftler. Das belegten Blutproben der indigenen Bevölkerung – ihr Quecksilbergehalt liegt im Schnitt siebenmal höher als der von der Weltgesundheitsbehörde definierte Grenzwert von 1ppm. Bei einzelnen Personen wurden laut Studie bis zu 27ppm Quecksilber im Blut nachgewiesen.

Die Regierung schreitet nicht ein – im Gegenteil

Für die bolivianische Regierung ist das kein Grund zu intervenieren. Ein Argument könnte sein, dass der Verkauf von Gold im Jahr 2021 Einnahmen von 2,557 Milliarden US-Dollar erbracht hat. Das liegt zum einen am enorm hohen Goldpreis, der derzeit 1.862 US-Dollar pro Unze beträgt, zum anderen an der nationalen Bergbaupolitik.

„Die Regierung gibt seit 2014 grünes Licht für Bergbaugenossenschaften und Minenbetriebe. Sie dürfen schürfen, ohne das Land zu kaufen, auf regionale Wasserreserven zugreifen und sie erhalten Lizenzen in Schutzgebieten“, so Campanini.

Die Bergbaulobby in Bolivien ist exzellent vernetzt, was der Soziologe Marco Gandarillas bestätigt. Der Analyst für das Bank Information Center, einer NGO mit Sitz in Washington, verweist darauf, dass die Regierung zuletzt vermehrt Konzessionen auch in geschützten Gebieten vergeben hat. „Die Bergbaulobby genießt weitreichende Unterstützung aus der Politik“, sagt er. Diese Tendenz habe es bereits unter Ex-Präsident Evo Morales gegeben und sich unter seinem Nachfolger Luis Arce fortgesetzt.

Daran ändern auch internationale Appelle nichts. So hatte der UN-Berichterstatter für toxische Substanzen und Menschenrechte, Marcos Orellana, schon im Dezember vor dem hohen Quecksilberimporten Boliviens gewarnt. Das Land diene zudem als Drehscheibe für das hochgiftige Schwermetall. Das bestätigt auch Oscar Campanini. „180 Tonnen Quecksilber hat Bolivien 2021 importiert“, sagt der. „Und ein Teil der Menge geht weiter nach Peru, Kolumbien und Brasilien.“

Das kritisierten sowohl die Vereinten Nationen als auch die Organisation Amerikanischer Staaten im März dieses Jahres. Vor allem, weil das flüssige hochtoxische Schwermetall, das zur Trennung von Gold von Gestein eingesetzt wird, die Wasserquellen im Regenwald kontaminiert. Über den Fischfang gelangt das bei rund 30 Grad flüchtige Quecksilber dann in die Nahrungskette.

Dass das in vielen Bergbauregionen [3][Lateinamerikas] ein gravierendes Problem ist, zeigt nicht nur die Cedib-Studie in Bolivien. Vergleichbare Ergebnisse liefern Untersuchungen aus dem peruanischen Madre de Dios – nur ein paar hundert Kilometer vom Madidi-Nationalpark entfernt.

4 May 2022

LINKS

[1] /Gold/!t5014210
[2] /Quecksilber/!t5029854
[3] /Lateinamerika/!t5008432

AUTOREN

Knut Henkel

TAGS

Bergbau
Gold
Quecksilber
Bolivien
Schwerpunkt Klimawandel
Indigene
Fische
Schwerpunkt Pressefreiheit
Barack Obama
Schwerpunkt taz folgt dem Wasser
Quecksilber
Goldmine

ARTIKEL ZUM THEMA

Illegale Minen in Brasilien: Weiter Goldrausch im Regenwald

Trotz medienwirksamer Razzien wird das Edelmetall weiter am Amazonas abgebaut. Das hat fatale Folgen für Indigene und Umwelt. Deutschland trägt Mitschuld.

Schutz von Indigenen im Amazonasgebiet: Brasilien geht gegen Goldgräber vor

Nach dem Regierungswechsel ist die Umweltbehörde zurück. Das bringt Hoffnung für Indigene, die von illegalen Goldgräbern bedroht werden.

Fischesterben in der Oder: Möglicherweise Quecksilber im Fluss

Im deutsch-polnischen Grenzfluss Oder sterben plötzlich massenweise Fische. Vermutlich infolge einer erhöhten Konzentration von Quecksilber.

Nachdem sie zehn Tagen vermisst wurden: Duo tot am Amazonas gefunden

Ein Journalist und ein Idigenen-Experte werden in Brasilien vermisst. Nun gesteht ein Verdächtiger den Mord, und führt zu sterblichen Überresten.

Ex-Übergangspräsidentin von Bolivien: Jeanine Áñez muss 10 Jahre in Haft

Die rechtsgerichtete Politikerin wurde im Zusammenhang mit dem Putsch gegen ihren Vorgänger Evo Morales verurteilt. Ein weiterer Prozess gegen sie folgt.

Netflix-Serie „Our Great National Parks“: Am Strand mit Barack Obama

Die Serie zeigt schöne Natur, hinterlegt mit der sanften Stimme des ehemaligen US-Präsidenten. Das ist jedoch alles, was es zu sehen und hören gibt.

Wasserversorgung in Bolivien: Kampf ohne Sieger

Cochabamba in Bolivien wurde durch erfolgreiche Proteste gegen die Wasserprivatisierung berühmt. 20 Jahre später fließt es noch immer nicht überall.

Entsorgung von Quecksilber: Ein Gift reist um die Welt

Viele Länder können das hochgiftige Schwermetall nicht gut entsorgen. Darum wird es etwa aus Argentinien in die Schweiz transportiert.

Gold aus Fairtrade-Minen: Gold schürfen geht auch anders

Das Geschäft mit dem Edelmetall sei „dreckig“, sagt Guya Merkle. Die Schmuckherstellerin will zeigen, dass es auch anders geht.