taz.de -- Ostermärsche in Kriegzeiten: Nur gegen die Nato reicht nicht

Die diesjährigen Ostermärsche ringen um eine Antwort auf die brutale Realität des Ukrainekriegs. Ein einheitliche Haltung gibt es nicht.
Bild: Etwa 300 Menschen demonstrierten am Karfreitag in Chemnitz gegen den Urkaine-Krieg

Stell dir vor, es ist Krieg – und die Friedensbewegung weiß nicht so genau, gegen wen sie protestieren soll. Die diesjährigen Ostermärsche stehen ganz unter dem Eindruck des russischen Überfalls auf die Ukraine. Doch in den Aufrufen zu den mehr als 120 Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen, Fahrradkorsos und Friedensgebeten, die bis Ostermontag quer durch die Republik geplant sind, findet sich keine einheitliche Haltung zum Ukrainekrieg. Eindeutigen Verurteilungen der Invasion in zahlreichen Aufrufen stehen merkwürdig ambivalente Formulierungen in anderen gegenüber.

„An Ostern gehen wir für die sofortige Beendigung des völkerrechtswidrigen brutalen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine auf die Straße“, schreiben die Organisator:innen des Saarbrücker Ostermarschs. Befürwortet werden „gezielte Sanktionen, die Oligarchen, kapitalistische Großunternehmen und die Finanziers des Krieges in Russland treffen“. Die Ostermarschierer:innen in Ulm halten auch „weitreichende wirtschaftliche Sanktionen für gerechtfertigt“.

Dem Osnabrücker Aufruf ist der Ukrainekrieg demgegenüber nicht einmal eine eigenständige Erwähnung wert. Dort heißt es nur ganz allgemein: „Jeder Krieg bringt Elend, Blutvergießen und Tod über die Menschen. Alle Kriege müssen beendet werden!“

Gegen Militär-Milliarden

Die Friedenskoordination Berlin adressiert ihre Forderung nach einer Beendigung des Kriegs in der Ukraine wiederum an den Angreifer wie den Angegriffenen: „Dazu braucht es den Willen Russlands und der Ukraine, Verhandlungen mit Kompromissbereitschaft von beiden Seiten aus zu führen, die vernünftigerweise eine neutrale Ukraine zur Folge haben müssten.“ Auch hier sucht man eine Verurteilung des russischen Aggressors vergebens. Nur konsequent, dass dann nicht nur Waffenlieferungen an die Ukraine, sondern auch jegliche Sanktionen gegen Russland abgelehnt werden.

Die russischen Bomben haben auch alte Gewissheiten zerstört: Bloß gegen die Nato zu sein, das reicht nicht mehr. Das uneinheitliche Bild zeigt indes, wie schwer es der ohnehin schon lange kriselnden Friedensbewegung fällt, eine Antwort auf die brutale Realität des Ukrainekriegs zu finden.

Einig sind sich alle Ostermarschveranstalter:innen nur in der Ablehnung [1][des 100 Milliarden Euro schweren „Sondervermögens“] zur Aufrüstung der Bundeswehr und der Erhöhung der deutschen Militärausgaben auf mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Infos zu den diesjährigen Ostermärschen finden sich beim [2][Bonner Netzwerk Friedenskooperative]

17 Apr 2022

LINKS

[1] /Joschka-Fischer-ueber-den-Ukrainekrieg/!5846190
[2] https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2022

AUTOREN

Pascal Beucker

TAGS

Ukraine
Friedensbewegung
Ostermärsche
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
GNS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ostermärsche
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Ostermärsche
Hamburg
Ukraine

ARTIKEL ZUM THEMA

Friedensaktivist über die Ostermärsche: „Die Bewegung ist heterogen“

Fünfte Kolonne Moskaus? Friedensaktivist Michael Schulze von Glaßer weist Kritik an der Friedensbewegung zurück – verteidigt aber das Nein zu Waffenlieferungen.

Friedensforscherin über den Ukrainekrieg: „Ziviler Widerstand ist effektiver“

Mit gut organisiertem sozialen Protest könnte die Ukraine Russland stoppen, sagt Konfliktexpertin Dudouet. Deutschland solle solche Methoden fördern.

Streit um Ostermärsche: Auf der Suche nach Konsens

2.000 Menschen kommen zum Ostermarsch in Hamburg, auch anderswo im Norden wurde demonstriert. Immer wieder strittig: Was hilft im Ukraine-Krieg?

Chefankläger von Nürnberger Prozessen: „Putin soll einen Prozess bekommen“

Der Jurist Benjamin Ferencz war nach dem Zweiten Weltkrieg Ankläger bei den Nürnberger Prozessen. Er will Putin vor Gericht sehen.

Berliner Ostermärsche: Kein Frieden um den Frieden

Neben dem Ostermarsch gab es eine Alternativ-Veranstaltung. Die Ansichten zum Krieg und den Lösungsmöglichkeiten sind unterschiedlich.

+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Mariupol, die rote Linie

Russlands Ultimatum für Mariupol ist verstrichen. Kiew sagt die Stadt wird „bis zum Ende kämpfen“. Selenski lädt Macron in die Ukraine ein, um sich ein Bild vom „Völkermord“ zu machen.

Ostermärsche in Deutschland: Auf die Straße für den fernen Traum

In zahlreichen deutschen Städten demonstrierten am Samstag Menschen für den Frieden. In Berlin kam es sogar zu einer Ostermarsch-Konkurrenz.

Relativierung des Ukraine-Kriegs: Ostermarsch sucht Schuld bei Nato

Das Forum für Völkerverständigung organisiert die Hamburger Ostermärsche. Im Aufruf für 2022 wird vor allem „der Westen“ angegriffen.

Ostermärsche in Berlin: Frieden schaffen, auch mit Waffen

Der Berliner Ostermarsch stellt sich gegen jede Aufrüstung. Eine syrisch-ukrainische Gegenveranstaltung wirbt für das Recht auf Verteidigung.