taz.de -- Ostermärsche in Berlin: Frieden schaffen, auch mit Waffen
Der Berliner Ostermarsch stellt sich gegen jede Aufrüstung. Eine syrisch-ukrainische Gegenveranstaltung wirbt für das Recht auf Verteidigung.
Berlin taz | Beim Berliner Ostermarsch will man sich in diesem Jahr sehr deutlich gegen die [1][100 Milliarden Euro für die Bundeswehr] positionieren. Diese Summe hatte die Bundesregierung im März als Reaktion auf Russlands Angriff auf die Ukraine beschlossen. Das Geld solle stattdessen in „soziale, ökologische, kulturelle und völkerverbindende Projekte“ fließen, heißt es bei der Friedenskoordination Berlin, die zum Ostermarsch am Samstag aufruft. Darüber hinaus soll das Nato-Ziel, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ins Militär zu investieren, nicht zugesagt werden.
Gerade jetzt sei es wichtig, in der Öffentlichkeit für Friedenspolitik und Abrüstung einzustehen, sagte Laura von Wimmersperg eine Vertreterin der Initiative bei einem Pressegespräch am Mittwoch. „Der Krieg hat nicht am 24. Februar begonnen, sondern bereits vor 10 bis 15 Jahren“, sagte sie. Seitens der Nato seien die Sicherheitsbedenken Russlands ignoriert und Abrüstungsverträge gebrochen worden. „Die Angst auf russischer Seite ist groß.“ Von Wimmersperg fügte hinzu, dass man natürlich auch gegen den Krieg sei, aber eben seine „Genese verstanden werden“ müsse, um „vernünftig über Lösungen nachdenken zu können“.
In den Fragen nach der Schuld am Krieg in der Ukraine sowie nach seinen Lösungsmöglichkeiten sieht sich [2][die Friedensbewegung vor der Zerreißprobe]. „Es gibt viele unterschiedliche Positionen zum Krieg“, sagte Christiane Reymann, die beim Ostermarsch eine Rede halten wird. „Die Debatten laufen, wir müssen dabei großherzig bleiben.“ Von Wimmersperg betonte, eine „Dämonisierung des Feindes“ sei nicht zielführend.
Nationalflaggen seien auf dem Ostermarsch nicht verboten, sagte die Initiative auf Nachfrage. Deswegen würde man auch nicht einschreiten, wenn Teilnehmer*innen die russische Flagge tragen würden. Banner mit Aufschriften wie „Putin der Aggressor“ seien hingegen nicht erwünscht, sie würden nicht zu den Positionen des Ostermarschs passen.
Besonders stark in den 1960ern und 1980ern
Ostermärsche gegen Krieg und Militarisierung gibt es schon seit den 1950er Jahren. Besonders stark waren sie in den 1960ern und 1980ern. Seit der Wende verloren sie an Bedeutung. Damals sei die „Hoffnung der Menschen noch groß gewesen, auf der Straße etwas gegen das weltweite Wettrüsten und Kriegstreiben ausrichten zu können“, sagte von Wimmersperg. Die Zeit nach der Wende sei ein kurzer Lichtblick für einen möglichen Frieden in Europa gewesen. Viele hätten sich damals aus der Friedensbewegung zurückgezogen, da sie das Ziel erreicht sahen.
Die Sprecher*innen der Friedenskoordination beklagen, dass sich die Gesellschaft mehr und mehr an Militarismus gewöhnt habe, auch durch die „indirekte Kriegsbeteiligung Deutschlands durch Waffenexporte in alle Welt“. Sie selbst sehen sich in der Rolle, für ein friedliches Bewusstsein in der Bevölkerung zu werben. Von Wimmersperg zieht in Betracht, dass möglicherweise durch die aktuelle Kriegssituation mehr Menschen als in anderen Jahren am Ostermarsch teilnehmen könnten.
Bei der Initiative Adopt a Revolution hat man für die Positionen der Friedenskoordination kein Verständnis. Die Initiative setzt sich in Deutschland für die syrische Zivilgesellschaft ein. Insbesondere das Verständnis für Russland sehen sie dort kritisch. Adopt a Revolution mobilisiert deshalb zum „Alternativen Ostermarsch“. Konkret kritisieren sie, dass der Aufruf des „Berliner Ostermarsches“ die russische Aggression und das [3][Recht auf Selbstverteidigung] mit keinem Wort erwähnt.
„Das entsetzt uns und bewegt uns“, schreiben sie in ihrem eigenen Aufruf. Sie kündigen an, gemeinsam mit ukrainischen und syrischen Aktivist*innen und mit solidarischen Unterstützer*innen auf die Straße zu gehen. Auf dem alternativen Marsch wolle man für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit und gegen russische Angriffskriege demonstrieren.
„Radikaler Pazifismus ist nicht unbedingt friedensförderlich. Das haben wir schon in Syrien gesehen“, sagte Ferdinand Dürr, ein Sprecher der Initiative, der taz. „Wir beziehen uns nicht positiv auf Waffenlieferungen, schließen sie aber auch nicht aus“, sagte er auf die Frage, ob auf ihrem Ostermarsch auch zu Waffenlieferungen in die Ukraine aufgerufen würde. „So können unterschiedliche Gruppen im Demobündnis Unterschiedliches fordern.“ Gemeinsame Position sei es, der Zivilbevölkerung zuzuhören. Sie seien diejenigen, die beschossen werden und ihre Häuser verlieren. „Wenn sie einen militärischen Arm zur Verteidigung fordern, ist das legitim“, sagte Dürr.
14 Apr 2022
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