taz.de -- Protest gegen Ausbau der A 100 in Berlin: Fahrn fahrn fahrn gegen die Autobahn
Der Widerstand gegen den Weiterbau der Berliner Stadtautobahn 100 wächst. Auch neue Ideen, wie dieser politisch noch zu verhindern sei, gibt es.
Berlin taz | Gegen einen Weiterbau der Stadtautobahn A100 bis Prenzlauer Berg regt sich Widerstand: Für den kommenden Freitag ruft ein Netzwerk zur Fahrrad-Protestfahrt auf. Zum Bündnis gegen [1][die Politik von Bundesverkehrsminister Volker Wissing] (FDP) gehören unter anderem ADFC und Changing Cities, der Volksentscheid Berlin autofrei und die Berliner Clublandschaft. Auch die Linke unterstützt den Aufruf.
Das Bundesverkehrsministerium hatte in der vergangenen Woche [2][für viele überraschend die Planungsmittel für den 17. Bauabschnitt freigegeben] und damit einem Projekt neues Leben eingehaucht, das sich zwar laut Bundesverkehrswegeplan formal schon in der Umsetzung befindet, faktisch aber tief in der Schublade lag – und dort nach dem Willen von Berlins rot-grün-roter Koalition auch bleiben sollte.
„Planung und Bau des 17. Bauabschnitts der A100 werden in der neuen Legislaturperiode durch die Landesregierung nicht weiter vorangetrieben“, heißt es im Koalitionsvertrag von Ende Dezember 2021. Das klingt nicht sehr meinungsstark, aber selbst die Sozialdemokraten, die als einzige der drei Partnerinnen in der Vergangenheit eine ambivalente Position eingenommen hatten, scheinen sich festgelegt zu haben: „Die SPD-Fraktion ist da eindeutig in ihrer ablehnenden Haltung“, so deren verkehrspolitischer Sprecher, Stephan Machulik, zur taz. Ihn habe es sehr überrascht, dass das Bundesministerium immer noch dem „alten Leitbild“ anhänge. Dringlich sei dagegen aus mobilitäts- und klimapolitischer Sicht der massive Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs.
Linke und Grüne haben sich dazu [3][auf ihren Parteitagen am vergangenen Wochenende positioniert]: Maßnahmen wie den 17. Bauabschnitt bezeichnet der Linken-Beschluss als „rückwärtsgewandte Verkehrsprojekte aus dem vergangenen Jahrtausend“. Die geschätzten 700 Millionen Euro Kosten seien eine „nicht hinnehmbare Steuergeldverschwendung“, die CO2-Bilanz von Bau und Betrieb eine „klimapolitische Katastrophe“.
Mehr Einfluss wagen
Während der Beschluss der grünen Landesdelegiertenversammlung sich auf eine Verurteilung mit ähnlichem Wortlaut beschränkt, erhebt die Linke konkrete Forderungen, wie nun weiter zu verfahren sei: Unter anderem soll das Land seine gesetzlich verbriefte Möglichkeit nutzen, die Hoheit über die Planfeststellung beim Autobahnbau zurückzuerhalten. Es bliebe zwar bei einer Weisung zur Durchführung dieser Planfeststellung, trotzdem wüchsen der Einfluss und die Verzögerungschancen Berlins.
Außerdem will die Linke, dass der Senat eine „abstrakte Normenkontrolle“ vor dem Bundesverfassungsgericht anstößt, um die dem Bund vor einigen Jahren übertragene alleinige Gesetzgebungskompetenz im Fernstraßenbau zu revidieren. Es sei „verfassungsrechtlich fragwürdig, dass der Bund gegen den Willen und ohne Beteiligung eines Bundeslandes für Jahrzehnte über dessen Grund und Boden verfügen darf“, heißt es im Beschluss.
Des Weiteren erwarte man von der Mehrheit im Bundestag, den 17. Bauabschnitt aus dem Bundesverkehrswegeplan zu streichen. Beim längst im Bau befindliche 16. Abschnitt zwischen Neukölln und Treptow wolle man in der Koalition auf Landesebene prüfen, ob er in eine Stadtstraße mit Radschnellweg umgewandelt werden kann. Ohne Lärmschutzwand auf der Ostseite, ohne „integriertes Verkehrskonzept“ für Treptow und vor Fertigstellung der neuen Elsenbrücke könne eine Inbetriebnahme nicht erfolgen.
Den Bau torpedieren?
Die Treptower Linken-Abgeordnete Katalin Gennburg bezeichnete die Forderung ihrer Partei nach einem Rückbau des 16. Bauabschnitts als „Novum“. Außerdem, so die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linkenfraktion, werde sie – falls alles andere scheitere – „selbstverständlich auch gegen den Weiterbau des 17. Bauabschnitts die Unterlassung von Zuarbeiten durch landeseigene Betriebe und Institutionen fordern“. Im [4][Sommer 2021 hatte Gennburg angeregt], die Senatsverkehrsverwaltung und die landeseigenen Wasserbetriebe könnten ihre Planungskapazitäten für alle notwendigen Straßen- und Leitungsarbeiten rund um die Anschlüsse des 16. Bauabschnitts anderweitig einsetzen und so das Projekt torpedieren.
Aus der Senatsverwaltung von Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) dringt bislang wenig Konkretes: Auf die Fragen der taz zu den einzelnen Verhinderungs-Ideen antwortete ihr Sprecher lediglich, man prüfe gerade „mit großer Sorgfalt alle gangbaren Optionen, um den aus unserer Sicht verkehrs-, klima-, umwelt- und stadtentwicklungspolitisch abzulehnenden Weiterbau der A100 nicht zur Realisierung kommen zu lassen“. Ergebnisse lägen noch nicht vor.
5 Apr 2022
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