taz.de -- Pornos sperren für den Jugendschutz: Hehr, aber sinnlos

Die allermeisten Pornos sind alles andere als empowernd. Viel sinnvoller als eine Sperre wäre aber Förderung guter, sexpositiver Pornos.
Bild: Eine Sperre von Pornos löst das Grundproblem nicht

Für den Wunsch, Pornografie loswerden zu wollen, zu verbieten, wegzuschließen, habe ich großes Verständnis. Die allermeisten Pornos, ob nun Videos, Filme, Fotos oder sexy Fanfics, sind alles andere als empowernd. Sie liefern ein verkürztes Bild von Sex; zeigen ihn als Leistungssport statt als Spaß; sind frauen- und queerfeindlich, body negative, rassistisch, gewaltverherrlichend, hab ich was vergessen? Jede Menge. Solche Pornos können in der sexuellen Entwicklung Schaden anrichten. Darauf hat zum Beispiel gerade die Popmusikerin Billie Eilish hingewiesen. Pornos hätten ihren Blick auf Sex und ihr Körperbild kaputtgemacht, sagte die 20-Jährige in einem Interview.

Deswegen wollen Jugendschützer*innen immer mal wieder streng gegen Pornoseiten im Netz vorgehen. Hier in Deutschland etwa die [1][Medienanstalten]. Die wollen seit geraumer Zeit eine Art Ausweiskontrolle für Pornhub und Co einführen. Das ist aber in Sachen Datenschutz hochgefährlich. Denn dazu müssten Klarnamen und Adressen in Datenbanken zusammen mit sexuellen Vorlieben und Fantasien gespeichert werden. Wie oft solche persönlichen Daten bei Plattformen plötzlich, ups, ein Leak, ins Netz fließen, wissen wir. [2][Alle paar Wochen nämlich].

Abwägungssache, mag man sagen. Datenschutz für dirty Erwachsene versus Schutz Heranwachsender vor verkorkster früher sexueller Entwicklung. Aber da ist noch etwas. Pornos für die Jugend blocken ist ein bisschen wie Youtube blocken, nur weil da der meiste Content verblödender Bullshit, Machogehabe und Falschinformation ist. Macht aber niemand, weil sehr viel Content eben auch großen Bildungswert hat. Und den haben Pornos grundsätzlich auch.

Wichtiger sind sexpositive Gegenprogramme

Wo sollen Jugendliche denn sonst eine mediale Abbildung von Sex bekommen? Filme und Serien für Menschen unter 16 dürfen keine expliziten Sexszenen enthalten, da also schon mal nicht. Also im Biounterricht? Beim Aufklärungsgespräch mit Eltern oder älteren Geschwistern? Peinlich! Beim ersten Mal? Zu spät! Also suchen Kinder im Netz nach Darstellungen von Sex. Und die werden sie easy jenseits der großen Plattformen finden, sollten diese die datenschutzmäßig extrem fragwürdigen Alterskontrollen einführen. Die Kids teilen sich den Kram dann per DM oder verbreiten Sequenzen via Telegram und Co. Würden Sie nicht?

Der ultraliberale Gegenvorschlag, laissez faire, ist zu leicht, schon klar. Aber Medien reguliert man nicht per Knopfdruck. Wichtiger wären sexpositive Gegenprogramme. Es gibt sie, [3][die guten Pornos, die auf Empowerment, Feminismus und Consent abzielen], die kontextualisieren, zum Beispiel indem sie die Darsteller*innen zu Wort kommen und über ihre Grenzen sprechen lassen, oder per Making-of verdeutlichen, dass Porno Fiktion ist. Solche Pornos sind leider seltener. Man könnte sie gezielt fördern. Auch in Deutschland. Ja, das wäre öffentlich-rechtlicher Porno. Was genau wäre daran so schlimm?

28 Dec 2021

LINKS

[1] /Porno-im-Netz-und-Jugendschutz/!5668578
[2] /Datenleck-bei-Lern-App-Scoolio/!5807382
[3] /Projekte-der-sexpositiven-Szene/!5675477

AUTOREN

Peter Weissenburger

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