taz.de -- Deutsche Wohnen & Co enteignen: Tendenz pro Enteignung

Für den Volksentscheid zeichnet sich einer ersten Hochrechnung zufolge eine Mehrheit ab. Aktivist:innen wagen vorsichtigen Jubel.
Bild: Gelb-lilafarbene Siegesparty: Wahlparty der Initiative vor den Union-Filmstudios in Tempelhof

Berlin taz | Laut der Webseite der Landeswahlleiterin sind mittlerweile erste Ergebnisse zum Volksentscheid da. Demnach wäre das Ergebnis positiv: [1][56,9 Prozent stimmten für die Enteignung großer Wohnungskonzerne], 39 Prozent dagegen. Ausgezählt wurden allerdings bisher nur 782 von 3.763 Gebieten. Aussagekräftig sind diese Ergebnisse wohl noch nicht. Initiativen-Sprecher Rouzbeh Taheri wertete das erste Ergebnis im rbb dennoch als eindeutig positives Ergebnis. Ausgezählt sind etwa 27 Prozent der Stimmen.

Die Nachricht verbreitet sich über Whatsapp, Aktivist:innen rennen zu Handys von ihren Freund:innen. Vorsichtig bricht Jubel aus, Menschen umarmen sich, teilweise herrscht auch Verwirrung. Dann stürmt das Cheerleeding Team der Kampagne nach vorne und bietet eine spontane Show. Die anwesenden Aktivist:innen applaudieren, tanzen mit. „This is our city, yes we keep it cheap and queer“, skandieren die Cheerleader:innen.

Mit einem angenommenen Volksentscheid ist der kommende Senat aufgefordert, ein Gesetz zu erlassen, das die Vergesellschaftung der Bestände der privaten Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen in der Stadt regelt und dafür „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind“, wie es auf dem Stimmzettel hieß.

Das erfolgreichste Begehren, das es gab

Vergesellschaftet werden sollen ausschließlich privatwirtschaftliche Wohnungskonzerne; kommunale Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften sind ausgeschlossen. Der Wohnraum soll zukünftig „von Belegschaft, Mieter:innen und Stadtgesellschaft“ demokratisch selbstverwaltet werden. Den Immobilienkonzernen soll eine Entschädigung „deutlich unter Verkehrswert“ gezahlt werden, heißt es im Beschlussentwurf. Grundlage für das Begehren ist der Grundgesetzartikel 15, der in der Geschichte der Bundesrepublik damit erstmals zur Anwendung kommen würde.

Das [2][Volksbegehren Deutsche Wohnen & Co enteignen] war bereits in der Sammelphase das erfolgreichste, das es je in Berlin gab. Etwa 360.000 Unterschriften hatte die Initiative eingereicht, um einen Volksentscheid herbeizuführen, mehr als doppelt so viele wie an gültigen Unterschriften notwendig war. Für die rund 2.000 Aktivist:innen des Volksbegehrens ist dieser Ausgang die Belohnung für ihre teils jahrelange und meist ehrenamtliche politische Arbeit. Ursprünglich hervorgegangen war die Initiative 2018 aus verschiedenen Gruppen der Mietenbewegung. Schon 2019 sammelten die Aktivist:innen 77.000 Unterschriften für die Einleitung eines Volksbegehrens.

Von den Parteien unterstützte nur die Linke das Begehren vollumfänglich. Während die Grünen sich in der Unterstützung zurückhielten und Vergesellschaftungen lediglich als Ultima ratio bezeichneten, lehnten SPD, CDU, FDP und AfD das Begehren rundherum weg. Umfragen zuvor hatten allerdings gezeigt, dass sich Befürworter*innen des Entscheids unter den Wähler*innen aller Parteien finden.

26 Sep 2021

LINKS

[1] /-Wahlen-in-Berlin-/!5803005
[2] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!t5764694

AUTOREN

Erik Peter
Timm Kühn

TAGS

Deutsche Wohnen & Co enteignen
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Lesestück Recherche und Reportage
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Wahlen in Berlin
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025

ARTIKEL ZUM THEMA

Die Wahl in Berlin in Grafiken: So hat die Hauptstadt abgestimmt

Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus: Bei wie viel Prozent liegen die Parteien? Welche Koalitionen wären möglich? Alle Ergebnisse auf einen Blick.

Enteignungsvolksentscheid in Berlin: Eine Million gegen Deutsche Wohnen

Die Berliner:innen haben dafür gestimmt, Deutsche Wohnen & Co zu enteignen. Doch setzt SPD-Wahlsiegerin Giffey die Forderung auch um?

SPD gewinnt Abgeordnetenhauswahl: Giffey doch ganz vorn

Ergebnisse stehen fest: Lange gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD und Grünen. Am Ende setzte sich Umfrage-Favoritin Franziska Giffey durch.

+++ Wahlen in Berlin +++: Enteignung und Giffey vorn

Franziska Giffeys SPD gewinnt die Abgeordnetenhauswahl. Für DW Enteignen zeichnet sich ein deutlicher Sieg ab. Alle News im Ticker.

Deutsche Wohnen & Co enteignen: Radikales Ziel, realistischer Weg

Am 26. September wird in Berlin über die Vergesellschaftung von 240.000 Wohnungen abgestimmt. Wie wurde ein linkes Thema zur Massenkampagne?