taz.de -- Nachruf auf Trompeter Jon Hassell: Der Klang von virtuellen Welten
Jon Hassell, der Begründer der „Fourth World“ Music, ist tot. In seiner Musik kombinierte der Trompeter Minimal Music und indische Traditionen.
Trompetentöne, elektronisch verfremdet wie Wüstenwind, dazu Perkussion, die an indische Traditionen erinnert, zirkulär sich wiederholend, im Hintergrund Umweltgeräusche, vielleicht Meeresrauschen: Mit dieser unaufdringlich-seltsamen Mischung von Klängen beginnt das Album „Vernal Equinox“, das Solodebüt des US-amerikanischen Komponisten Jon Hassell von 1977.
Der 1937 in Memphis, Tennessee geborene Hassell kannte zu diesem Zeitpunkt schon diverse ästhetische Ansätze aus zahlreichen Himmelsrichtungen. Im Studium an der New Yorker Eastman School of Music beschäftigte er sich insbesondere mit dem Serialismus des deutschen Avantgardisten Karlheinz Stockhausen, zu dem er eigens für zwei Jahre nach Köln ging.
In New York arbeitete er danach in den späten sechziger Jahren mit dem Minimal Music-Pionier Terry Riley – er ist auf der ersten Plattenaufnahme von dessen Klassiker „In C“ zu hören – und spielte im Ensemble [1][Theatre of Eternal Music] von Rileys Kollege La Monte Young.
Inspiriert von indischem Gesang
In den frühen siebziger Jahren machte er Bekanntschaft mit der Musik des indischen Sängers Pandit Pran Nath und nahm bei diesem in Indien Unterricht. Hassells eigenwilliger Trompetenstil auf „Vernal Equinox“ mit seinen mehrstimmigen Klängen war von Naths Gesangskunst inspiriert, es ist eine Übersetzung von indischen Ragas durch die Mittel der Minimal Music.
Zusammen mit dem britischen Ambient-Pionier Brian Eno veröffentlichte er 1980 dann das Album „Fourth World Vol. 1: Possible Musics“, das Hassells virtueller „Weltmusik“ ihren Namen gab. Die „Fourth World“ Music wird heute fortgeführt von Künstlern wie [2][Bernd Friedmann] aus Deutschland oder dem Niederländer Michel Banabila. Am Sonnabend ist Jon Hassell im Alter von 84 Jahren gestorben.
27 Jun 2021
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