taz.de -- Terrorvorwürfe gegen Tichanowskaja: Die große Keule
Die Menschen in Belarus lassen sich nicht mehr einfach einschüchtern. Deshalb konstruiert Lukaschenko Terrorvorwürfe gegen die Oppositionsführerin.
Jetzt holt der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko die ganz große Keule raus. Angeblich soll Swetlana Tichanowskaja mit freundlicher Unterstützung von ehemaligen Angehörigen der heimatlichen Sicherheitskräfte [1][terroristische Anschläge in Belarus geplant haben]. Die Anwürfe sind absurd. Man kann der Oppositionspolitikerin Tichanowskaja viele Vorwürfe machen, aber bestimmt nicht den, durch Einsatz von Gewalt das Leben unschuldiger Menschen aufs Spiel zu setzen.
Nein, umgekehrt wird ein Schuh daraus, weswegen die Erklärungen der zur Opposition übergelaufenen einstigen Handlanger Lukaschenkos alles andere als abwegig sind. Diese Leute behaupten, die Staatsmacht ihrerseits habe Angriffe vorbereitet. Leider ist dieses Szenario Lukaschenko und seinen Unterlingen durchaus zuzutrauen. Denn was böte sich derzeit besser an als Terror, um diejenigen Kräfte in und außerhalb von Belarus, die einen demokratischen Wandel wollen, zu diskreditieren.
Dass der Staat auch bereit ist, bis zum Äußersten und dabei über Leichen zu gehen, zeigte sich am 11. April 2011. Bei einem Anschlag auf eine U-Bahn-Station in Minsk starben 15 Menschen. Die Hintergründe blieben im Dunkeln, als Täter wurden zwei junge Männer per Genickschuss hingerichtet, für deren Schuld es keine Beweise gab. Dem allen vorausgegangen waren Massenproteste gegen eine gefälschte Präsidentenwahl, die zahlreiche Lukaschenko-Kritiker*innen ins Gefängnis brachten.
Und heute? [2][Dem Präsidenten steht das Wasser bis zum Hals]. Denn trotz aller Brutalität lassen sich die Menschen nicht mehr einschüchtern. Das zeigen die Aktionen am 25. März, dem „Freiheitstag“, die wieder niedergeschlagen wurden und mit über 200 Festnahmen endeten. Da käme eine Verhängung des Ausnahmezustands ganz gelegen, um sich des ungebrochenen Widerstands der Belarus*innen zu entledigen.
Übrigens: Minsk hat jetzt Polen und Litauen ersucht, die angeblichen „Terroristen“ nach Belarus zu überstellen. Dieses [3][unsägliche Ansinnen hat Vilnius bereits einmal abgelehnt] und dabei wird es wohl auch bleiben. Zum Glück![Link auf Beitrag 4739989]
30 Mar 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Mehrere Minderjährige widerrechtlich im Gefängnis. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeit in Minsk. Folge 80.
Die Staatsanwaltschaft geht gegen NGOs vor, die aus dem Ausland finanziert werden. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 76.
Eine Journalistin schreibt über den improvisierten Alttag. Und darüber, was ihr fehlt. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 75.
Die Jagd auf Kritiker geht weiter. Vor allem betroffen sind Journalisten. Janka Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 74.
Swetlana Tichanowskaja und weitere Oppositionelle sollen einen Anschlag in Minsk geplant haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Der 25. März ist Gründungstag der belarussischen Volksrepublik. Den Protesten gegen Lukaschenko soll das neuen Aufwind geben, sagt Pawel Latuschka.
Die Minsker Staatsanwaltschaft fordert die Auslieferung der Politikerin nach Belarus, um ihr den Prozess zu machen. Vilnius lehnt das entschieden ab.