taz.de -- Streit um Naturschutzrecht: Offshore-Windpark vor Gericht

Der Nabu klagt gegen den Windpark Butendiek vor Sylt. Die geltende Rechtslage bringt es mit sich, dass er das erst tun kann, seit der Park steht.
Bild: Vertreibt Seevögel im Schutzgebiet: Windpark Butendiek

Hamburg taz | Durch juristische Untiefen führt ein [1][Klageverfahren des Naturschutzbundes (Nabu) gegen den Windpark Butendiek] vor der Insel Sylt. Der Park war einer der ersten in der deutschen Nordsee und wurde in einem EU-Vogelschutzgebiet errichtet. Der Nabu prozessiert dagegen, weil die Anlage den wichtigsten Lebensraum von Stern- und Prachttauchern verkleinere. Dabei ist der Nabu in eine paradoxe Lage geraten.

Die Umweltschützer hatten [2][unter Verweis auf das Umweltschadensgesetz sofort geklagt], nachdem das damals noch als Bürgerwindpark firmierende Projekt genehmigt worden war. Das Verwaltungsgericht Hamburg wies die Klage ab mit dem Hinweis, der Verband könne erst klagen, wenn ein Umweltschaden auch tatsächlich eingetreten sei.

Also wartete der Nabu notgedrungen ab und sah sich an, wie sich der Windpark auf die Vogelpopulation auswirken würde. „Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass sich die Offshore-Windparks in der Nordsee erheblich stärker auf die Vogelwelt auswirken als prognostiziert“, sagte Kim Detloff vom Nabu. Offshore-Windparks vertrieben Seetaucher auf eine Entfernung von mindestens 16 Kilometern.

Ausnahme für den Windpark?

Trotzdem wies das [3][Verwaltungsgericht Köln] eine entsprechende Klage ab: Das Umweltschadensgesetz könne nur angewandt werden, wenn eine Schuld des Windparkbetreibers feststellbar sei. Dieser habe sich jedoch auf eine Genehmigung des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) gestützt, außerdem mehrere Fachgutachten eingeholt und damit seiner Sorgfaltspflicht genüge getan.

„Das Kölner Urteil vertritt die Rechtsauffassung, dass eine Genehmigung vor Fahrlässigkeit schützt, egal wie alt und handwerklich fragwürdig sie sei“, resümiert der Nabu. Damit laufe das Umweltschadensgesetz grundsätzlich ins Leere. Die Berufung des Nabu wird am Donnerstag vor dem [4][Oberverwaltungsgericht Münster] verhandelt (Az. 21 A 49/17). Das [5][Bundesamt für Naturschutz (BFN) prüft derwei]l, ob für den Windpark nicht eine Ausnahme vom Naturschutz gemacht werden kann. Gernot Knödler

6 Mar 2021

LINKS

[1] /Vogelschuetzer-kaempfen-gegen-Windmuehlen/!5440823
[2] https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/meere/offshore-windparks/butendiek/index.html
[3] https://openjur.de/u/2147795.html
[4] https://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/terminvorschau/index.php
[5] https://www.bfn.de/themen/recht/bekanntmachungen.html

AUTOREN

Gernot Knödler

TAGS

Bundesamt für Naturschutz
Naturschutz
Nabu
Windkraft
Offshore-Windpark
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie
Wir retten die Welt
Windparks

ARTIKEL ZUM THEMA

Was tun mit 700 Millionen Euro: Goldenes Windrad als Stinkefinger

700 Millionen Euro bekam das Umweltministerium für den Verkauf der Offshore-Flächen. Ein Vorschlag, wie das Geld zu verwenden wäre.

Vogelschützer kämpfen gegen Windmühlen: Vom Winde zerschreddert

Vor 30 Jahren wurde in Schleswig-Holstein der erste Windpark in Betrieb genommen. Heute kämpfen vor allem Umweltschützer gegen neue Anlagen

Die Atomkonzerne profitieren: Hoheit auf den Meeren

Der "Bürgerwindpark Butendiek" ist gescheitert. Das sagt viel darüber aus, worum es derzeit in Berlin geht: um die Frage, wer die Stromversorgung kontrolliert.

Bundesregierung tut zu wenig für Windkraft: Das Offshore-Märchen

Tiefensee will 30 Windparks auf hoher See bauen. Offiziell. Doch sein Raumordnungsplan behindert konkrete Windparks. Und auf dem Festland fehlen die nötigen Stromleitungen.