taz.de -- Krieg in Bergkarabach: Die Sprache der Ohnmacht

Russland und die Türkei haben den Konflikt um Bergkarabach entschieden. Für Deutschland und die EU bedeutet das eine Niederlage.
Bild: Aserbaidschan, Tartar: Ein Mann steht in den Trümmern seines Hauses

Man stelle sich vor, in Europa herrscht Krieg und keiner schaut hin. Genau das ist in [1][Bergkarabach] geschehen. Vor den Augen des Friedensnobelpreisträgers EU, noch dazu unter deutschem EU-Vorsitz, hat ein Krieg getobt, der nun mit der Verschiebung von Gebietsgrenzen und der Vertreibung Zehntausender Armenier enden dürfte.

Dass es so weit kommen konnte, ist ein Armutszeugnis für die europäische und vor allem für die deutsche Außenpolitik. Weder Kanzlerin Angela Merkel noch Außenminister Heiko Maas oder die EU-Verantwortlichen haben sich in den Konflikt eingeschaltet, die viel beschworene „Sprache der Macht“ haben nur [2][Russland und die Türkei] gesprochen.

Dabei wollte Deutschland doch Führung zeigen und „Weltpolitikfähigkeit“ beweisen. Es ging auch darum, die „europäische Friedensordnung“ zu verteidigen – ähnlich wie 2014, als Russland die Krim annektierte. Damals setzte sich Deutschland für Sanktionen gegen Russland ein. Heute schweigt Berlin, es ist die Sprache der Ohnmacht.

Das könnte fatale Folgen haben. Durch ihre Untätigkeit legitimieren Deutschland und die EU nicht nur das Unrecht, das den Armeniern in Bergkarabach geschieht. Sie zeigen auch, dass sie die Kontrolle über die Grenzen in und um Europa verloren haben. Und sie ermuntern [3][die Türkei], sich in neue militärische Abenteuer zu stürzen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die EU unter deutschem Vorsitz versagt. Schon im Sommer wäre es beinahe zum Krieg gekommen, als die Türkei mit Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer provozierte. Griechenland, Zypern und Frankreich forderten eine schnelle und harte Antwort, doch Merkel setzte auf Geheimdiplomatie und Appeasement.

Das rächt sich nun. Während der Konflikt im östlichen Mittelmeer einigermaßen ruhiggestellt wurde – gelöst ist er noch lange nicht –, schickte der türkische Präsident Erdoğan syrische Söldner in den Kaukasus. Heute feiert er seinen Sieg in Aserbaidschan und Bergkarabach. Deutschland, dieses vorläufige Fazit muss man leider jetzt schon ziehen, hat die EU in die Niederlage geführt.

12 Nov 2020

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AUTOREN

Eric Bonse

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