taz.de -- Rechtsextreme bei Sicherheitsbehörden: 350 Verdachtsfälle
Hunderte Mitarbeiter*innen von Sicherheitsbehörden sollen rechtsextrem sein. Das geht aus einem vertraulichen Papier des Verfassungsschutzes hervor.
Berlin afp | Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zählt einem Bericht zufolge in den deutschen Sicherheitsbehörden mehr als 350 Verdachtsfälle auf Rechtsextremismus. Dies gehe aus dem erstmals erstellten Lagebericht zu dem Thema hervor, [1][berichtete die Welt am Sonntag]. Das als vertraulich eingestufte Dokument beleuchtet demnach den Zeitraum von Anfang Januar 2017 bis Ende März 2020.
Das BfV fragte dem Bericht zufolge den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, die 16 Länderpolizeien und die Verfassungsschutzämter ab, die zusammen etwa 300.000 Mitarbeiter haben. Die Behörden mussten demnach einen Fragebogen zu rechtsextremen Fällen in ihren Häusern ausfüllen, den das BfV dann zentral auswertete.
Die meisten rechtsextremen Verdachtsfälle unter den Bundesländern meldete laut der Welt am Sonntag Hessen. Das dortige Innenministerium erkläre dies damit, dass bereits seit zwei Jahren besonders intensiv in diesem Bereich intern ermittelt werde.
In dem Bundesland liefen demnach in den vergangenen drei Jahren 59 dienst- und arbeitsrechtliche Maßnahmen. Bei 50 davon seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden, 29 seien eingestellt worden, schrieb die Zeitung. In elf Fällen seien Entlassungen oder Nichternennungen ins Beamtenverhältnis erfolgt.
In den vergangenen Monaten hatten [2][immer wieder rechtsextreme Vorkommnisse in Sicherheitsbehörden für Aufsehen] gesorgt. Zuletzt wurde etwa [3][in Nordrhein-Westfalen eine rechtsextreme Chatgruppe] innerhalb der Polizei aufgedeckt. In Leipzig [4][steht ein Polizist im Verdacht], ebenfalls als Teilnehmer eines Chats „rechtsextremistische und rassistische Äußerungen vorgenommen zu haben“, wie die Leipziger Polizeidirektion am Freitag mitgeteilt hatte.
Der mit Spannung erwartete Lagebericht des Verfassungsschutzes soll laut Welt am Sonntag im Oktober vorgelegt werden. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte eine von vielen Seiten geforderte Studie zu Rassismus in der Polizei unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass derzeit der Lagebericht erstellt werde.
27 Sep 2020
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Martina Rosenberg wird neue Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes. So soll der Kampf gegen Rechtsextremismus in der Armee neu aufgestellt werden.
25 Polizisten teilten über Jahre rassistische Inhalte in Chats. Nach einem ARD-Bericht leitet die Berliner Polizei nun Ermittlungen ein.
Mitarbeiter des NRW-Verfassungsschutzes sollen in Chats rassistische Hetze verbreitet haben. Die Personen seien zuständig für die Beobachtung Rechtsextremer.
Dem Beamten wird vorgeworfen, sich in einer Chatgruppe rassistisch geäußert zu haben. Er wurde mit sofortiger Wirkung vom Dienst ausgeschlossen.
Die scheidende CDU-Vorsitzende über Rechtsextremisten in der Bundeswehr, die Aufnahme von Geflüchteten und ihr großes Ziel.
Wegen Verdacht auf Rechtsextremismus werden zwei Polizeibeamte in NRW suspendiert. Das Innenministerium zählt 104 Vorfälle seit 2017.