taz.de -- Die Wochenvorschau für Berlin: Chaos, Aufbruch, Sicherung

Es ist wieder kühler, man kann wieder nachdenken. Diese Woche zum Beispiel in der Alten Münze und im Märkischen Museum.
Bild: Es darf wieder nachgedacht werden. Zum Beispiel über die Alte Münze

Endlich ein bisschen Regen, ein bisschen kühle Luft. Gut, dass man nun die Seen und Balkone Seen und Balkone sein lassen, sich wieder ins Gewimmel stürzen und den Kopf anschalten darf.

Schon am Dienstag bietet sich dazu der erste Anlass, denn dann wird es mit der Diskussion über den zukünftigen Kulturstandort [1][Alte Münze ] weitergehen. Der Gebäudekomplex an der Spree, der 1935 von den Nazis erbaut und bis zum Jahreswechsel 2005/06 als Produktionsstätte für Münzen genutzt wurde, verfügt über 15.500 Quadratmeter Nettoraumfläche.

Neben dem Haus für Statistik am Alexanderplatz könnte die Alte Münze die letzte Insel in der Mitte Berlins werden, die nicht nur dem Land gehört, sondern auf der tatsächlich noch Offkultur stattfinden wird. 2019 wurde mehrere Monate lang in einem Beteiligungsverfahren darüber gestritten, wie genau das Gebäude kulturell genutzt werden sollte.

Im Januar diesen Jahres gab Kultursenator Klaus Lederer (Linke) bekannt, dass in dem Ensemble vor allem ein „Zentrum für Jazz und improvisierte Musik“ entstehen soll – und vielen der Beteiligten des Verfahrens, die dort alle möglichen Kultursparten wollten, war das zu eng.

Neue Chancen

Eine andere Gelegenheit darüber nachzudenken, in welche Richtung Berlin derzeit nicht nur kulturell gehen könnte, ist die Eröffnung der Sonderausstellung „Chaos & Aufbruch“ im Märkischen Museum an diesem Mittwoch. Es geht um einen Vergleich der Stadt 2020 mit der Stadt 1920, als sich durch das [2][„Groß-Berlin-Gesetz“] die Einwohnerzahl der Metropole mit einem Schlag von 1,9 auf 3,8 Millionen verdoppelte und Berlin nach London und New York die größte Stadt der Welt wurde.

Damals wie heute ging und geht es aber nicht nur trocken um die Verwaltung von Wachstum, sondern auch um den Ausgleich finanzieller und sozialer Unterschiede in den Stadtteilen, um Wohnen, Verkehr, um die Anbindung an das Umland und auch um Identität. „Wo eröffnen sich in Zeiten schwerer Krisen neue Chancen? Diese Frage ist in Zeiten der Corona-Pandemie aktueller denn je“, meint das Museum. Eigentlich hätte die Ausstellung schon Ende April eröffnen sollen, nun geht es endlich los.

Das wird vielleicht auch jene Museumsfans trösten, die an diesem Wochenende wieder gern bei der Langen Nacht der Berliner Museen mitgemacht hätten, die seit 22 Jahren einer der Höhepunkte des Museumsjahres war. In diesem Jahr ist die Nacht leider wie alle Großveranstaltungen in Berlin wegen des Coronavirus abgesagt.

24 Aug 2020

LINKS

[1] /Kulturstandort-in-Berlin-Mitte/!5600407&s=alte+m%C3%BCnze+alte+m%C3%BCnze/
[2] /2020-Feiern-zu-100-Jahre-Gross-Berlin/!5653139&s=gro%C3%9Fberlin+museum+rada/

AUTOREN

Susanne Messmer

TAGS

Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Wochenvorschau
Verdrängung
Schwerpunkt Coronavirus
Wochenvorschau
Märkisches Museum
Wochenvorschau
Klaus Lederer
Großstadt
Kulturpolitik

ARTIKEL ZUM THEMA

Keine „Fetischparty“ in der Alten Münze: Ärger über Polizeiwording

Die Alte Münze weist nach Party-Auflösung Polizeivorwürfe und -sprache zurück und kritisiert „skandalisierende Sprachbilder“.

Die Wochenvorschau für Berlin: Katastrophenschutz mit Odysseus

Am Donnerstag um 11 wird es laut werden: Beim Testtag für Warntechnik heulen unter anderem die Sirenen. Und was steht noch an diese Woche?

Ausstellung 100 Jahre Groß-Berlin: Große und kleine Würfe

Vor 100 Jahren bewältigte Berlin den Schritt zur Großstadt. Wie sieht die Bewältigung ähnlicher Herausforderungen heute aus?

Die Wochenvorschau für Berlin: Endlich ein bisschen Kultur

Zweifelhafte Corona-Parties sind nicht mehr das einzig mögliche „Vergnügen“: Auch in Theatern und Museen geht langsam wieder was.

Streit um Alte Münze: Jazz ist jetzt der Renner

Der Kultursenator hat entschieden, dass in der Alten Münze ein Zentrum für Jazz entsteht. Beteiligte eines Partizipationsverfahren reagieren empört.

2020: Feiern zu 100 Jahre Groß-Berlin: Wie kann Großstadt gelingen?

Am 1. Oktober 1920 wurde Berlin mit dem Groß-Berlin-Gesetz zur Weltstadt. Die Feierlichkeiten zum 100-Jährigen sind Anlass, die Stadt weiterzudenken.

Kulturstandort in Berlin-Mitte: Alte Münze bald poliert

Der zähe Streit um die Alte Münze in Mitte könnte gelöst sein: Es zeichnet sich ab, dass dort demnächst ein Standort für bedrohte Kultur entsteht.