taz.de -- Durchgreifen gegen „Massencornern“ verlangt: R2G autoritär

„Entschlossener“ handeln soll die Polizei im Hamburger Schanzenviertel gegen zu dicht beieinander Trinkende. Das fordert auch die örtliche Linke.
Bild: Vor Corona ein Problem nur für Anwohnende und die lokale Gastronomie: Menschen beim „cornern“

Hamburg taz | Über die Polizei zu reden und was sie so macht: Das ist nach einer umstrittenen Kolumne dieser Tage [1][komplizierter geworden für diese Zeitung]. Sollten wir nun – was manche*r Kolleg*in fordert – die uniformierten Gemüter besänftigen wollen, dann könnten wir lernen, wie das geht, von einer vielleicht manche*n überraschenden Seite: In der Bezirksversammlung Altona kam es jetzt zu einem rot-grün-noch-röteren Ruf – nach der Polizei, genauer deren „entschlossenem Handeln“.

Genau besehen überrascht daran nur, dass auch die Linksfraktion mit im sprichwörtlichen Boot sitzt. Aber worum geht es? Durchgreifen sollen laut der [2][gemeinsamen Pressemitteilung vom vergangenen Montag] Bezirksamt und Polente nicht etwa gegen zu laut knatternde Poserkarren oder in die Grünanlage gekippte Gefrierschränke.

Ums Ausgehvolk in der Schanze geht es: „Dicht an dicht stehen die Menschen auf der ‚Piazza‘, dem Schulterblatt, der Susannenstraße. Über Stunden hinweg missachten sie jegliches Abstandsgebot“ – als hätte es die Pandemie nie gegeben oder wäre längst besiegt.

Nun stimmt beides nicht: Die Infektionsgefahr besteht weiter – zumindest außerhalb der Köpfe vereinzelter Ministerpräsidenten, auch [3][des Linken da in Erfurt], oder gar nicht mal so vereinzelter „Hygiene“-Demonstrierender. Es hat also seine Berechtigung, wenn der Altonaer Hauptausschuss sich einstimmig dafür ausspricht, dass „eng zusammenstehende größere Personenansammlungen etwa vor Kiosken aufgelöst“ und bei Bedarf „Alkoholverkaufsverbote und Platzverweise ausgesprochen werden“.

Bloß: Wem zum „Massencornern“ zuerst – und recht einzig – einfällt, die Polizei müsse härter durchgreifen beziehungsweise „frühzeitiges polizeiliches Einschreiten bereits bei Bildung von Ansammlungen“ fordert, wie es der Linken-Bezirksabgeordnete Karsten Strasser formuliert; wer also nur auf so etwas kommt, der stellt doch vor allem aus, wie fern ihm das da zu Regelnde ist; wie wenig er sich vorstellen kann, wie es wäre, an Stelle der Ermahnten zu sein. Haben die ein bisschen mehr Repression (für die Wähler*innen der anderen) sich wünschenden Sozis, Grünen und Linken einfach nicht genug gecornert?

Nachtrag: Am Freitagabend [4][berichtete das Hamburger Abendblatt] von Verstößen gegen die Corona-Regeln – ausgerechnet bei einer [5][Feier des Hamburger Innensenators Andy Grote]. Der Mann ist Sozialdemokrat, [6][die oppositionelle CDU forderte] prompt, dass sich der [7][Innenausschuss am kommenden Donnerstag] mit Grotes „Glaubwürdigkeitsproblem“ befassen solle. Erster Tagesordnungspunkt bislang: „Versammlungsgeschehen im Corona-Kontext“.

22 Jun 2020

LINKS

[1] /taz-sachen/!5689915
[2] https://www.gruene-altona.de/sternschanze-massencornern-stoppen-ansteckungsgefahr/
[3] /Coronamassnahmen-in-Thueringen/!5691981
[4] https://www.abendblatt.de/hamburg/article229351868/Innensenator-Andy-Grote-Party-Coronavirus-Hamburg-Feier-Restaurant-HafenCity-Kontaktbeschraenkung-mehr-als-zwei-Haushalte-Gaeste-Kritik-Senat.html
[5] https://hamburg1.de/nachrichten/45280/Vorwuerfe_gegen_Innensenator.html
[6] https://www.cdu-hamburg.de/presse/artikel/gladiator-hamburgs-innensenator-hat-ein-glaubwuerdigkeitsproblem/
[7] https://www.hamburgische-buergerschaft.de/contentblob/13967682/5f7d608e318fbc7cb29031f8e798eb07/data/200625-dl.pdf

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Alexander Diehl

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