taz.de -- Abschaffung der Polizei: All cops are berufsunfähig

Falls die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus aber nicht: Was passiert dann mit all den Menschen, die heute bei der Polizei sind?
Bild: Polizist:innen vor einem Altglascontainer in der Frankfurter Berger Straße

Von ihrer formalen Auflösung in Minneapolis bis hin zur angekündigten Reform in New York: Die [1][Polizei gerät nach internationalen Black-Lives-Matter-Protesten] in Erklärungsnot. Auch in Deutschland.

Eine erste Konsequenz ist etwa das vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossene Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG). Manch eine_r träumt da gleich von einer Zukunft ganz ohne Polizei. Darüber, wie so etwas aussehen und ob das funktionieren könnte, gibt es nicht erst seit dem Mord an dem Afroamerikaner George Floyd Diskussionen.

Ich hingegen frage mich: Wenn die Polizei abgeschafft wird, der Kapitalismus jedoch nicht, in welche Branchen kann man Ex-Cops dann überhaupt noch reinlassen? Schließlich ist der Anteil an autoritären Persönlichkeiten und solchen mit Fascho-Mindset in dieser Berufsgruppe überdurchschnittlich hoch. Oder haben Sie [2][schon mal von einem Terrornetzwerk in der Backshop-Community gehört]? Ich nämlich auch nicht.

Wohin also mit den über 250.000 Menschen, die dann keine Jobs mehr haben? Einfach in neue Berufe stecken? Weil das nach 1945 so gut funktioniert hat? Fehlanzeige. Aber welche Bereiche der Arbeitswelt wären sicher?

Keine Machtpositionen für Ex-Cops

Soziale Arbeit schon mal nicht. Das Problem löst sich nicht dadurch, dass ein Cop Uniform gegen Birkenstocks und Leinenhosen umtauscht. Ob Behörden, Lehrer_innen, Justiz, Politik, Ärzt_innen oder Sicherheitskräfte: Machtpositionen gegenüber anderen Menschen kommen nicht infrage. Streng genommen möchte man sie nicht einmal in die Nähe von Tieren lassen. Bitte nicht noch mehr Chicos erziehen!

Auch der Dienstleistungsbereich sieht schwierig aus. Post ausliefern lassen? Niemals. Zwischen Büchersendung und Schuhbestellung passt immer eine Briefbombe. Alles, was an menschlichen Körpern stattfindet – etwa Tattoos oder Frisuren –, ist ebenfalls zu riskant. Ich würde mir nicht mal eine Pediküre von ihnen geben lassen. Eine Nagelfeile ist eine Waffe.

Keine Baumärkte, Tankstellen oder Kfz-Werkstätten. Eigentlich nichts, woraus man Bomben oder Brandsätze bauen kann. Technik generell eher nein. Keine Gastronomie wegen Vergiftungsgefahr. Der Kulturbereich samt Bücherläden und Kinos fällt flach. Dort könnten sie ihr Gedankengut ins Programm hineinkuratieren. Was ist mit Gartencentern? Hm. Zu nah an völkischen Natur- und Landideologien.

Über (Bio-)Bauernhöfe brauchen wir gar nicht erst zu sprechen, die sind jetzt schon zu Szenejobs für Neonazis avanciert. Und wenn man sie einfach Keramik bemalen ließe? Nein. Zu naheliegend, dass sie unter der Hand Hakenkreuz-Teeservice herstellen und sich mit den Einnahmen das nächste Terrornetzwerk querfinanzieren.

Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.

[3][Hinweis der Redaktion, Freitag, 19.06]

Hinweis der Redaktion, Montag, 22.06: Der Bundesinnenminister Horst Seehofer kündigte an, Anzeige gegen unsere Kolumnistin zu erstatten. [4][Hier schätzt taz-Anwalt Johannes Eisenberg, der die taz-Kolumnist*in Hengameh Yaghoobifarah in dieser Sache vertritt, die Ankündigung des Ministers ein.]

15 Jun 2020

LINKS

[1] /Struktureller-Rassismus-bei-der-Polizei/!5688344/
[2] /Rechter-Terror-in-Deutschland/!5608261/
[3] /taz-sachen/!5689915
[4] /Verteidigung-taz-Kolumne/!5696661

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Hengameh Yaghoobifarah

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