taz.de -- Kritik an Jagdpraxis in Spanien: 1.500 Euro für eine Bergziege

Jäger in Spanien erlegen eigens für die Jagd gezüchtete Tiere. Dafür zahlen sie saftige Abschussprämien. Tierschützer kritisieren die Geldmacherei.
Bild: Halali: 3.500 Euro kostet ein Hirsch

Madrid taz | Jagd ist „Hege und Pflege“, so verteidigen auch die spanischen Jäger ihr Hobby gegenüber ihren Kritikern. Ohne Jagd käme es in den Wäldern und Feldern zu Überbevölkerung durch wilde Tiere, von Kaninchen über Rebhühner bis hin zu [1][Wildschweinen] und Rotwild. Mit diesem Argument erreichten die Waidmänner und -frauen in vielen Regionen Spaniens, dass die Jagd auch mitten in der Covid-Ausgangssperre als einzige Aktivität in Gruppen und weit weg vom Wohnort erlaubt war.

Doch ein Bericht zeigt: Das Argument mit der „Hege und Pflege“ stimmt nicht. „Die Jäger verschanzen sich hinter einer Überbevölkerung, die von ihrer eigenen Branche gemacht ist“, heißt es in einem Bericht eines Bündnisses von über 200 Umweltschutzorganisationen unter dem Namen [2][„Plattform Nein zur Jagd“ (NAC)].

Demnach werden Millionen von Tieren in Hunderten Wildfarmen gezüchtet und dann meist in privaten Jagdgebieten freigelassen, damit die Freunde der „Hege und Pflege“ sie bei ihrer Pirsch erlegen können. Die Wälder und Felder dienen als riesiger Schießstand für die Jagd auf Tiere, „die an den Menschen gewöhnt sind“, so die NAC.

„Erst eliminieren sie ihre Konkurrenten“

„Die Strategie ist so einfach wie effektiv. Erst eliminieren sie ihre Konkurrenten, die natürlichen Raubtiere (Wölfe, Füchse, Luchse, Raubvögel, Reptilien …). Dann füllen sie die Jagdreviere mit Tieren auf, die in Farmen gezüchtet wurden. Damit werden massive Abschusszahlen garantiert, die für die Rentabilität ihres Geschäfts unerlässlich sind“, heißt es in dem Bericht. Die Jäger zahlen 1.500 Euro für eine Bergziege, 2.000 Euro für ein Wildschwein und bis zu 3.500 Euro für einen Hirsch.

„Dies zerstört die Artenvielfalt, das natürliche Gleichgewicht und macht aus dem ländlichen Raum und Wald eine Fabrik für Abschussziele, die an den verkauft werden, der am meisten bietet“, heißt es weiter. Auch Treibjagden auf kleine Tiere, wie Rebhühner oder Kaninchen, werden mit gezüchteten Tieren bestückt.

In manchen Regionen, so etwa in der nordspanischen Provinz León, stammen laut NAC 100 Prozent aller gejagten Tiere aus Wildfarmen. In Spanien gibt es rund 800.000 Jäger, jährlich erlegen sie rund 25 Millionen Tiere. Zum Vergleich: Der Jagdverband Unac selbst spricht in einem Bericht von 2018 von vier bis sechs Millionen freigelassenen Tieren pro Jahr und von 1.235 Wildfarmen in Spanien und berichtet stolz, dass diese Aktivität seit den 1960er Jahren immer mehr Erfolg habe.

26 May 2020

LINKS

[1] /Wildschweine-in-Berlin-und-Brandenburg/!5658750
[2] https://plataformanac.blogspot.com/

AUTOREN

Reiner Wandler

TAGS

Spanien
Jäger
Schwerpunkt Artenschutz
Jagd
Lesestück Recherche und Reportage
Thüringen
Niedersachsen

ARTIKEL ZUM THEMA

Schutz von Wildtieren in Feuchtgebieten: Bleifrei ballern

Die EU-Kommission will Bleimunition zur Jagd in Feuchtgebieten verbieten. Die Bundesregierung stimmt dagegen und argumentiert mit Tierwohl.

Wildtiere im Rothaargebirge: Ein 900 Kilo schweres Problem

Im Sauerland gibt es wilde Wisente. Die Region vermarktet sie als Attraktion, zugleich knabbern sie Bäume an. Ein Ortsbesuch.

Streit um Thüringer Wölfin: Zwischen Tod und Leben

Die Thüringer Behörden wollen die Wölfin von Ohrdruf abschießen lassen, Umweltschützer gehen dagegen vor. Nachwuchs könnte die Wölfin retten.

Jagd auf Wolf wird beendet: GW717m darf leben

14 Monate versuchten Jäger in Niedersachsen ohne Erfolg, einen „Problemwolf“ zur Strecke zu bringen. Nun wurde die Hatz abgeblasen.