taz.de -- Die Wahrheit: Versuch über die Mondfinsternis

Normalerweise ist Donnerstag der Gedichtetag. Aber außergewöhnliche Konstellationen der Himmelskörper verlangen nach Lyrik außer der Reihe.

Blutschattig grau in Wolken hockt

der Mond getrübt im letzten Eck

als nebelfinstrer Schattenfleck.

Sein dämmrig glänzend Dunkeln lockt

die Menschen zum Trabanten hin,

der sich, gehüllt ins Zwielichtkleid,

ganz samten kränzt mit Dunkelheit.

Voll Andacht hebt sich manches Kinn

zum darbend Blick gen Satellit,

den man in prunkend schwerer Pracht

in purpurgoldner Himmelsnacht

erhaben blässlich thronen sieht.

Doch reimt man drüber, klingt’s en gros

nach Nippes, Kitsch und Rokoko

mit „dämmrig samtem purpurgo-

ldnem Wolken-Andacht“-Pipapo.

Echt schade, doch das muss wohl so.

22 May 2020

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Jürgen Miedl

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