taz.de -- Die Wahrheit: Ein Kürbis klagt an

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit: Heute darf sich die geneigte Leserschaft an einem Poem über einen Halloween-Geschädigten erfreuen.

Wenn Vampire durch die Straße

neben Zombies spukend ziehn,

herrscht gerade jene Phase

die sie nennen: Halloween.

Dann reißt man mich aus der Erden,

oben werd ich aufgeklappt.

Meine ganzen Kerne werden

samt dem Fruchtfleisch ausgeschabt.

Eine schlimme Fratze schnitzen

sie direkt in mein Gesicht

und damit die Augen blitzen,

stellt man in mich Kerzenlicht.

So verhunzt – zur Furchtverbreitung –

werd ich vor das Haus gestellt,

diene nun der Angstbereitung.

Klar, dass mir das nicht gefällt!

Bin ich doch ein Frohgemüse,

nährstoffreich, geschmacklich toll,

fleischig, mürbe, voller Süße.

Drum verspür ich starken Groll,

auf die üblen Spießgesellen,

die aus Jux und Dollerei

meine Optik so entstellen.

Finden die denn nichts dabei?!

Heuer möcht ich Rollen wechseln:

Die stehn rum im Kerzenschein,

ich darf mal Grimassen drechseln

und krieg alle Nascherei’n.

Keine Sorge! Meine Klagen

sind bloß Kürbisfantasien,

die mir helfen zu ertragen

dieses blöde Halloween.

29 Oct 2020

AUTOREN

Jürgen Miedl

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