taz.de -- Machtkampf in der AfD: Meuthens gewagte Ansage

Der Kalbitz-Rauswurf stößt innerhalb der Partei nicht nur auf Zuspruch. Jörg Meuthen macht sich damit zum ärgsten Feind des „Flügels“.
Bild: So schnell will er nicht aufgeben: Brandenburgs geschasster AfD-Chef Kalbitz

Andreas Kalbitz ist ein Rechtsextremist, das hat ihm jüngst selbst der Verfassungsschutz bescheinigt. Die zahlreichen Belege dafür sind seit Jahren bekannt. In der AfD hat sich daran lange kaum jemand gestört. Kalbitz, ein begnadeter Strippenzieher und erfolgreicher Wahlkämpfer, war nicht nur Landes- und Fraktionschef in Brandenburg, sondern auch Mitglied im Bundesvorstand der Partei. Parteichef Jörg Meuthen hat sich von Kalbitz und seinem „Flügel“ ins Amt wählen lassen und lange mit ihm paktiert.

Dass Meuthen nun [1][gegen Kalbitz] vorgeht, hat weniger mit neuen Erkenntnissen über dessen rechtsextreme Biografie oder geläuterten politischen Einsichten zu tun, sondern machttaktische und pragmatische Gründe. Der „Flügel“, zuletzt zwar formal aufgelöst, ist parteiintern immer mächtiger geworden, und er hat sich Meuthens Konkurrentin Alice Weidel zugewandt.

Parteifunktionäre vor allem aus den westlichen Bundesländern, die sich für gemäßigt halten, drohten damit, dem Parteichef die Unterstützung zu entziehen, sollte er nicht endlich etwas unternehmen. Nach der Entscheidung des Verfassungsschutzes wuchs insbesondere im Westen die Angst, die Gesamtpartei könnte von der Behörde als rechtsextremer „Verdachtsfall“ eingestuft werden, was wiederum einen Teil der WählerInnen verschrecken und die BeamtInnen unter den Mitgliedern vertreiben könnte.

Zudem hat die Behörde mit dem Beleg, dass Kalbitz Mitglied in der Neonazi-Organisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) gewesen ist, Meuthen einen Hebel geliefert. Weil Kalbitz bei Parteieintritt die HDJ-Mitgliedschaft verschwiegen hatte, konnte ihm der Bundesvorstand mit einfacher Mehrheit die Parteimitgliedschaft mit sofortiger Wirkung entziehen.

Spaltung nicht ausgeschlossen

Ungeachtet all der Paktiererei sollte man die Bedeutung der Causa Kalbitz nicht unterschätzen: Meuthen hat – zumindest vorübergehend – den einflussreichsten Mann des „Flügels“ gestürzt. Und damit einen Machtkampf in der AfD losgetreten, wie es ihn vielleicht seit 2015 nicht mehr gab. Damals verließ Ex-Parteichef Bernd Lucke am Ende gedemütigt die Partei.

Für Meuthen birgt das gleich mehrere große Risiken. Sollte [2][Kalbitz seinen Rausschmiss] erfolgreich anfechten, was durchaus möglich ist, kann der Parteichef abtreten. Ist das nicht der Fall, wird der „Flügel“ alles tun, um Meuthen zu stürzen. Ob Meuthen diesen Machtkampf politisch überlebt oder ob er wie Lucke oder Frauke Petry endet, ist schwer abschätzbar. Das Gleiche gilt für die Frage, wie rechtsextrem die AfD am Ende sein wird. Selbst eine Spaltung samt Entstehung einer „Lega Ost“ scheint nicht mehr ausgeschlossen.

17 May 2020

LINKS

[1] /Machtkampf-in-der-AfD/!5686049
[2] /AfD-schmeisst-Andreas-Kalbitz-raus/!5686028

AUTOREN

Sabine am Orde

TAGS

Schwerpunkt AfD
Der Flügel
Jörg Meuthen
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt AfD
Jörg Meuthen
Andreas Kalbitz
Jörg Meuthen
Jörg Meuthen
Jörg Meuthen

ARTIKEL ZUM THEMA

Brandenburger AfD unter Beobachtung: Absolut überfällig

Der Verfassungsschutz stuft den Brandenburger Landesverband der AfD als rechtsextremen Verdachtsfall ein. Das setzt die Partei unter Druck.

IfS-Geschäftsführer Erik Lehnert geht: Vorstand von AfD-Stiftung abgewählt

Die Desiderius-Erasmus-Stiftung setzt ihren Schriftführer ab. So soll Abstand zum neurechten „Institut für Staatspolitik“ gewonnen werden.

Machtkampf um Kalbitz in der AfD: Der Druck hat gewirkt

Kalbitz bleibt auch nach dem Parteiausschluss Teil der AfD-Fraktion in Brandenburg. Der Partei droht die Spaltung.

Parteiausschluss von Andreas Kalbitz: Kein Pardon für Kalbitz

Jörg Meuthen geht davon aus, dass der Rauswurf des brandenburgischen AfD-Chefs rechtlich wasserdicht ist. Die Mehrheit der Partei stehe hinter ihm.

Andreas Kalbitz bleibt in AfD-Fraktion: Mitspielen trotz Parteiausschluss

Die Brandenburger AfD-Fraktion beschließt, dass Andreas Kalbitz Teil der Fraktion bleibt. Vorsitzender soll er allerdings nicht mehr sein.

Machtkampf in der AfD: Höcke setzt auf Aufstand

Nach dem Rausschmiss von Andreas Kalbitz sagen dessen Verbündete Parteichef Meuthen den Kampf an. Kalbitz' Mitgliedsantrag ist verschwunden.

Nach dem Rauswurf von Andreas Kalbitz: Neuer Machtkampf in der AfD

Für den „Flügel“ ist der Ausschluss ihres Anführers eine Kampfansage. Wer politisch überlebt und wie weit rechts die Partei am Ende steht, ist offen.

Nach Rausschmiss aus der AfD: Kalbitz will Entscheidung anfechten

Andreas Kalbitz kündigt an, gegen seinen Parteiausschluss juristisch vorzugehen. AfD-Chef Jörg Meuthen behauptet, die Maßnahme sei keine politisch begründete.