taz.de -- Fasten während der Pandemie: Ramadan trotz Corona

Für die meisten Muslime und Musliminnen beginnt heute der Fastenmonat. Die Länder haben unterschiedliche Strategien, mit der Coronakrise umzugehen.
Bild: Ein Mann in Pakistan schaut durch ein Winkelmessinstrument, um den Beginn des Ramadan zu bestimmen

BERLIN taz/dpa/afp | Für rund 1,6 Muslime und Musliminnen weltweit beginnt der Fastenmonat Ramadan. Das erklärte der saudische Königshof über die staatliche Nachrichtenagentur SPA am Donnerstagabend nach Sichtung der Mondsichel. Der islamische Kalender richtet sich nach dem Mond und kann deshalb variieren. Auch die Islamverbände in Deutschland hatten den [1][Freitag als ersten Fastentag] festgelegt. In einigen Ländern wie Oman und Pakistan beginnt der Ramadan erst am Samstag.

Gläubige Muslim:innen verzichten im Ramadan von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex – das Fasten ist eine der fünf Säulen des Islam. Geprägt ist diese Zeit normalerweise von gemeinsamen Gebeten und Fastenbrechen.

Doch wegen der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen bleiben in diesem Jahr in den meisten Ländern die Moscheen geschlossen, auch Reisen in die heiligen Städte des Islam sind nicht möglich. Solche Maßnahmen empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation in einem [2][Ramadan-Leitfaden].

Die religiösen Autoritäten vieler Länder unterstützen die Restriktionen und fordern die Gläubigen auf, zu Hause zu beten und sich nicht in größeren Gruppen zu treffen. „Ich bin traurig, dass der Heilige Monat unter diesen Umständen kommt, die uns daran hindern, Gebete in Moscheen zu verrichten, wegen der vorbeugenden Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Menschen im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie“, zitierte SPA König Salman von Saudi-Arabien.

Kein Trommler, aber Online-Almosen

Die Türkei verhängte zu Beginn des Ramadan bis Sonntag eine viertägige Ausgangssperre in 31 Städten. Das Fastenbrechen in großen Gruppen ist untersagt, wie das Innenministerium am Mittwoch mitteilte. Die Trommler, die normalerweise nachts um die Häuser ziehen, um die Gläubigen vor Sonnenaufgang zu wecken, dürfen keine Spenden an Haustüren einsammeln.

In Kirgistan, wo die Mehrheit muslimisch ist, waren die religiösen Autoritäten zu Beginn der Corona-Pandemie noch zögerlich und weigerten sich, Freitagsgebete einzuschränken. Jetzt, zu Beginn des Fastenmonats, [3][bat der Obermufti Maksatadschy Toktomuschew] die Gläubigen, die Feierlichkeiten ausschließlich zu Hause zu begehen. Religiöse Führer kündigten an, Informationen wie die Höhe der zu vergebenden Almosen über Telefon oder soziale Medien weiterzugeben. Das Spenden soll über Online-Banking möglich sein.

Doch nicht überall werden die Ausgangsbeschränkungen während des Ramadan strikt durchgeführt. Indonesien, das Land mit den meisten Muslim:innen weltweit, hat in der Provinz Aceh Massengebete erlaubt. [4][Ägypten – mit 3.891 Infektionen und 287 Toten (Stand 24.04.2020) eines der am schwersten betroffene Länder] auf dem afrikanischen Kontinent – verkürzt die nächtliche Ausgangsbeschränkung, und einige Geschäfte dürfen wieder öffnen. Und in Pakistan, wo der Ramadan erst am Samstag beginnt, gibt es bereits Diskussionen um mögliche Ausnahmen des Lockdowns.

24 Apr 2020

LINKS

[1] /Kein-Gebetsruf-in-Bremen/!5677185
[2] https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/331767/WHO-2019-nCoV-Ramadan-2020.1-eng.pdf
[3] https://kloop.kg/blog/2020/04/16/iftary-nuzhno-provodit-doma-muftij-prizval-veruyushhih-soblyudat-karantin-vo-vremya-ramazana/
[4] /Ramadan-waehrend-der-Pandemie/!5677011

AUTOREN

Jana Lapper

TAGS

Ramadan
Saudi-Arabien
Schwerpunkt Coronavirus
Kirgistan
Türkei
Lesestück Recherche und Reportage
Ramadan
Saudi-Arabien
Ramadan
Schwerpunkt Libyenkrieg
Schwerpunkt Türkei
Saudi-Arabien
Ramadan
Schwerpunkt Coronavirus
Ramadan

ARTIKEL ZUM THEMA

Ramadan in der Coronapandemie: Vom Fasten in Krisenzeiten

Wie begehen Gläubige inmitten einer Jahrhundertseuche den Ramadan? Eindrücke aus der Türkei, Indien, Tunesien und Deutschland.

Fastenmonat für MuslimInnen: Ramadan und Corona? Harira!

In der zweiten Fastenzeit während Corona wird viel deutlicher, worauf es ankommt: Nicht auf den Nahrungsverzicht, sondern auf Liebe und Verantwortung.

Saudi-Arabien reagiert auf Corona: Dieses Jahr nur Hadsch light

Die Pilgerfahrt nach Mekka wird wegen Corona radikal begrenzt. Es ist nicht das erste Mal, dass der Hadsch eine Seuche in die Quere kommt.

Zuckerfest zum Ende des Ramadans: Nur im kleinen Kreis

Zum Ende des Ramadans begehen Muslim*innen das Fest zum Fastenbrechen in großer Runde. Doch wegen Corona wird es keine großen Familienfeste geben.

Krieg und Corona in Libyen: Mit Mundschutz in die Schlacht

Nichts hat Libyen bislang dem Frieden näher gebracht, auch nicht der UN-Aufruf zur Waffenruhe angesichts der Pandemie. Doch es gibt noch Hoffnung.

Umstrittener Kleriker in der Türkei: Homophobie von Erdoğans Gnaden

Der türkische Präsident stärkt einem homophoben Kleriker den Rücken. Der macht indirekt Homosexuelle für die Corona-Pandemie verantwortlich.

„Lockerung“ in Saudi-Arabien: Einsperren statt Auspeitschen

Die archaische Strafe des Auspeitschens wird in Saudi-Arabien in Zukunft durch Geld- und Haftstrafen ersetzt. Doch Kritik bleibt lebensgefährlich.

Kommentar Debatte um Muezzinrufe: Schluss mit der Symbolpolitik

Ob Muezzine zum Gebet rufen dürfen, wird schnell zur Grundsatzfrage. Dabei wäre es in Corona-Zeiten angezeigt, den Muslimen entgegenzukommen.

Ramadan während der Pandemie: Fasten zwischen Koran und Corona

Am Donnerstag beginnt der Fastenmonat Ramadan. Wegen Corona wird vieles anders sein als sonst. Wie sich Ägyptens Hauptstadt Kairo darauf vorbereitet.

Kein Gebetsruf in Bremen: Wer hat Angst vorm Muezzin?

Gemeinsames Fastenbrechen gibt es im Ramadan 2020 nicht. Als Ersatz hört man vielerorts den Ruf des Muezzins. Bremen aber zeigt sich wenig weltoffen.