taz.de -- Klimaaktivist über Streik und Corona: „Krass viele Menschen leiden“

Um Risikogruppen zu schützen, streikt Fridays for Future jetzt online. Wie das geht, erklärt der Berliner Klimaaktivist Lucas Pohl.
Bild: Sie sind viele: Lucas Pohl von FFF Berlin bei einer Demo im Dezember 2019

taz: Herr Pohl, mit den Freitagsstreiks fürs Klima ist es wegen Corona erstmal vorbei. Was macht Fridays for Future stattdessen?

Lucas Pohl: Ich finde es erst mal wichtig, dass Fridays for Future schon früh gesagt hat, Streiks finden zurzeit nicht statt, das fänden wir unverantwortlich, wir wollen Risikogruppen schützen. Stattdessen haben wir die Streiks vom Analogen ins Digitale verlegt. Also treffen wir uns jetzt online und streiken unter dem Hashtag #netzstreikfürsklima im Internet.

Wie geht das?

Wir machen zum Beispiel Telefon- und Videokonferenzen, wo wir mit unseren Schildern vor den Bildschirmen sitzen, und das teilen wir dann. Wir sind nicht mehr auf der Straße laut, wo es gerade nicht geht, sondern im Netz.

Wie viele machen da mit?

Das kann ich wirklich nicht sagen. Wir als Bewegung posten, zum Beispiel bei Instagram, dann immer so zehn Schilder – aber natürlich bekommen wir sehr viel mehr Fotos zugeschickt. Wie viele, habe ich noch nicht gezählt.

Dann gibt es Onlinekurse, was ist das?

Wir haben eine Bildungsinitiative gegründet, da ja gerade überall die Schule ausfällt. Das heißt, wir machen ab nachmittags, wenn die Schularbeiten erledigt sind – oder zumindest erledigt sein sollten –, Webinare unter dem Titel „Wir bilden Zukunft“. Wir laden interessante Gäste ein, die uns gewisse Dinge erklären.

Zum Beispiel?

Wir hatten Maja Göpel vom Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung da, die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert hat über die Mythen der Energiewende gesprochen, vorigen Freitag haben wir etwas [1][mit Greta Thunberg gemacht]. Auch Erik Marquardt war da, der grüne EU-Abgeordnete, der zurzeit auf Lesbos ist. Wir wollen uns also auch über Themen abseits von Corona informieren.

Es wird jetzt viel über Parallelen zwischen der Klima- und der Coronakrise geredet. Sehen Sie welche?

Wir sagen: Jede Krise sollte behandelt werden wie eine Krise. Wenn man beide Krisen miteinander vergleicht, sieht man gerade natürlich, dass unter Corona jetzt in kurzer Zeit krass viele Menschen leiden. Bei der Klimakrise ist uns das hier im globalen Norden nicht so deutlich, dass daran auch schon jetzt viele Menschen, [2][vor allem im globalen Süden, leiden]. Was wir verlangen, ist, dass die Politik auf die Klimakrise auch so reagiert wie auf die Coronakrise – die sie als Krise anerkannt hat und entsprechend schnell und konsequent handelt.

Es war jetzt viel zu lesen über „Coronapartys“ und unbekümmerte junge Menschen, von denen manche wohl sagen: Wenn ihr Alten euch nicht um die Klimakrise kümmert, die uns Junge betrifft, kümmern wir uns auch nicht um Corona.

Das ist ein ganz, ganz großer Fehler. Es ist bei Corona wie bei der Klimakrise: Das betrifft uns alle. Nur weil in der Vergangenheit Menschen in puncto Klimakrise nicht so reagiert haben, wie wir uns das gewünscht haben, finde ich das sehr unsolidarisch, zu sagen, da werden wir jetzt auf Corona auch nicht reagieren. Das finde ich total falsch. Wir sollten jetzt zusammenhalten und daraus keinen Generationenkonflikt machen. Im Gegenteil sollten wir einander unterstützen. Das findet jetzt auch schon in ganz vielen FFF-Ortsgruppen statt: Überall gibt es Menschen, die sich [3][in der Nachbarschaft engagieren], für Risikogruppen einkaufen gehen zum Beispiel.

Die Strategie von FFF ist, solidarisch zu streiken. Deswegen soll es ja auch am Freitag einen Fenster- und Balkonstreik geben für die Gesundheitsberufe.

Ja, das ist eine Berliner Initiative. Wir wollen denen, die in Care-Berufen die arbeiten, Danke sagen, weil den Laden hier gerade am Laufen halten.

27 Mar 2020

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AUTOREN

Susanne Memarnia

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