taz.de -- Regeln für Tech-Firmen: Kapitalismus mit Streuseln
Was Europa im Wettbewerb um Software und KI-Lösungen braucht, ist: Profil. Es braucht Regeln, die den Datenschutz und die Menschenrechte hochhalten.
Manchmal ist die Welt ein Streuselkuchen. Zum Beispiel wenn es um Technologien geht. Den Boden bildet der US-amerikanisch-kapitalistische Ansatz „The winner takes it all“, und der Gewinner heißt zum Beispiel Facebook, Amazon oder Google. Für die Streusel hält China eine Masse aus ausgefeilter Datensammlung, [1][umfassender Überwachung] und möglichst weitgehender Abschottung bereit.
Und dazwischen versucht sich Europa an einer Füllung, die weder das eine noch das andere sein soll – aber gleichzeitig Unternehmen nicht zu viel abverlangt. Schließlich will man weiterhin als attraktiver Wirtschaftsstandort gelten. Und hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass, wenn schon die weltweit führenden Dienste aus dem Bereich Onlinehandel, Suchmaschine, Videoportal, Smartphone-Betriebssystem, Werbenetzwerk und noch so einiges mehr aus den USA kommen, in Zukunft doch zumindest die führende Hologrammsoftware für den subkutan implantierten Chip in Europa entwickelt werden könnte. Oder so etwas Ähnliches.
Ja, könnte. Aber nicht mit der Strategie, eine süße, aber verzichtbare Kuchenfüllung zu sein. Was Europa braucht, ist: Profil. Und für Profil braucht es Ecken, klare Linien, es braucht Haltung, und die darf auch mal unbequem sein. Konkret bedeutet das: Klare [2][Regeln für Technologien]. Regeln, die den Schutz von persönlichen Daten betreffen, wie es die Datenschutzgrundverordnung in Teilen schon schafft. Aber, und das wird zunehmend wichtiger, genauso ethische Komponenten.
Wird auf Basis einer KI-gestützten Empfehlung jemand ins Gefängnis gesteckt, ein Mensch bei einem Unfall verletzt oder auch nur jemandem [3][ein Kredit oder ein Job verweigert], hat das Folgen, die vorher gesellschaftlich diskutiert werden müssen. Wollen wir das? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Und welche Vorteile muss eine neue Technologie bringen, damit man einen bestimmten Preis in Kauf nimmt?
Im besten Fall schafft es Europa, mit einem positiven, menschenorientierten Ansatz, Vorreiter zu werden. Es wäre ein guter Zeitpunkt.
10 Dec 2019
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Eine Umfrage zeigt: Viele Firmen sind skeptisch, was den Nutzen künstlicher Intelligenz angeht. Sie fordern verbindliche Regeln.
Menschen und Algorithmen beeinflussen sich gegenseitig. Ausnahmesituationen wie die Coronapandemie bringen die Systeme an ihre Grenzen.
Airbnb bewirbt vergünstigte Überwachungsgeräte für seine Vermieter*innen. Das ist nicht überraschend, aber trotzdem besorgniserregend.
Wer im Netz sucht und einkauft, hinterlässt Spuren. Seit letzter Woche kann man sich bei Facebook die Datenspur anzeigen lassen.
Google hatte sich tief in mein Privatleben gefressen. Jetzt habe ich mich getrennt – und nutze digitale Produkte, die mich nicht ausspionieren.
Huawei will das deutsche 5G-Netz aufbauen. Doch die Sorge vor Spionage ist groß. Die CDU will die Debatte gegen Merkels Willen im Bundestag führen.
Datenschützer befürchten, dass die bei Teenagern beliebte App TikTok chinesischen Behörden zuarbeitet. Es geht dabei auch um die Dominanz im Netz.
Kann man das 5G-Netz dem Huawei-Konzern anvertrauen? Keinem Unternehmen schlägt mehr Misstrauen entgegen als diesem Ausrüster. Ein Besuch.